Einträge vom Montag, 02. März 2015
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Playmais-Materialismus?
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n0name newsletter 165 Mo., 02.02.2015 11:20 CET
*Inhalt/Contents*
1. Playmais-Materialismus?
Interview mit Toshimaru über ZENismus und Dispositive als Dispo
ca. 6 DIN A4-Seiten
http://n0name.de/news/news165.txt
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1.
Playmais-Materialismus?
Interview mit Toshimaru über ZENismus und Dispositive als Dispo
(Umlaute!)
Unicode (UTF-8)
Matze Schmidt: Am Montag spielst Du in Berlin in einer für Dich
ungewöhnlichen Besetzung.
Toshimaru: So ungewöhnlich ist die nicht. Dass wir jetzt das fast
schon traditionelle Instrument E-Gitarre neben den Maschinen in den
Klang integrieren, ist kein Defizit. Im Gegenteil, versuchen wir das
Konzept dieser aktiven Passivität der Maschine gegenüber etwas zu
unterlaufen.
Also ist Zen nicht mehr der wichtigste Bezugspunkt?
Du hast doch für radi0.tv diesen ganz neuen Track online gestellt, auf
dieses Erfolgsportal Soundcloud. Dort werden die Worte No Input als
Tag in Hashtag "no" und Hashtag "input" aufgesplittet. Eine gute
Taktik, die Automatismen das Semantische mit-entscheiden zu lassen und
das auch zu zeigen. Diese ganze Nietzscheanische Herangehensweise, der
Überhöhung und Stilisierung des Typewriter nervt ja nur noch. Das war
immer der Versuch, Evidenzen doch noch zu entkommen, also dem
Offensichtlichen in Kunst zu entweichen.
Und das wäre nun vorbei?
Ich glaube jede neue Generation wird die Verdrängungen neu erkennen
müssen. Die Atomkatastrophen sind in Japan der Ursprung des Mythos aus
der Technik. Wir können hier nichts kontrollieren, darum dann diese
Unversicherung und Affirmation zugleich. Statt das Herstellen zu
erneuern, wird es ästhetisch gemacht.
Mh, ja. Die Technologietheorie hat Produktion aufs Technische
gemittelt und anthropologisiert. Nochmal zu Instrument, Maschine und
Ausdruck. Siehst Du da ein gewandeltes Verhältnis?
Ich weiß nicht genau. Klar ist, dass die Expressionismen, wie sie von
Noise-Leuten hier und da gepflegt werden nicht mehr ausreichen. Es ist
mittlerweile jedem deutlich, dass ein dekonstruiertes Dispositiv
und das sich Verhalten dazu und basteln daran interessante
wie-auch-immer-punkige Sounds macht. Das macht aber noch keine
neue Industrie aus.
Man überschätzt sich. Aber der hörbare Sound und der
Herstellungsprozess, Machen und Ergebnis fallen dabei doch
auseinander. Kann man damit nicht arbeiten?
Warum sollte man das denn wieder zusammenfügen wollen. Zen war oder
ist doch gerade der Versuch das auseinandergefallene Gesellschaftliche
wieder zu vereinen. Aber nicht auf der Ebene freier reflektierter
Entfaltung, sondern auf der Versöhnung von Natur und Kultur. Ich sehe
aber da keine Versöhnung, weil diese nur in der Kunst gelaufen ist.
Romantik?
Ja, Neo-Neo-Romantik vielleicht. Nicht in den realen
Herstellungsprozessen für alle möglichen Güter sollen Natur, Kultur,
Technik ausbalanciert werden, das soll nur auf der Bühne geschehen.
Und wenn das konsequenter kritisiert werden soll, müsste man die Bühne
verlassen?
Ich glaube ja. Das Format Konzert sollte als Spielen aufgefasst
werden, und Spielen als funktionaler Ansatz der Vermittlung. Die
Klang- und Radio-Labors sind im Basteln versunken und bleiben im
geschützten Biotop direkter Zwischenmenschlichkeit. Warum sollte ich
diese Inseln weiter wie Robinson beschallen?
Was hältst Du von der offiziellen deutschen Klangkunst?
Die ist ziemlich getrieben in Richtung Technikprimat und Bedingungen.
Die steht für sich. Lötworkshops sind doch keine Lösung, wenn die
Repräsentativisten der Schönheit das Sagen haben. Diese Relaxtheit
sollten wir aufgeben, wir sollten uns dem Klang nicht einfach nur
hingeben. Jede Nuance hat ihre Berechtigung aber auch ihren Kontext,
je nach dem.
Und Shin, also Stille hilft auch nicht?
Shin, hehe. Sollte sich jeder mal gönnen.
Aber nicht als Gesamtkonzept für den Klangraum.
Ja, der Klangraum ist alles. Das ist aber nicht kosmologisch gemeint.
Toshi, es gibt diese Ideophone im japanischen Comic -- liest Du Mangas?
Nein, wenig.
Mh, wenn zum Beispiel dieses "shiin" etwas nicht Hörbarem einen Sound
gibt, wäre ein solcher Klangsymbolismus nicht der Ansatz, Reflektion
und improvisierte Aussage zu mixen?
Tara-tara, toro-toro. Ja, Reflektion und Impro. Aber nur wieder in der
Meta-Sprache.
Was heißt Tara-tara, toro-toro?
Eine Lautverschiebung. Tara-tara bedeutet etwas Dickes Cremiges
Tröpfelndes, toro-toro heißt dickflüssig.
Ah, eine Spitzfindigkeit, Genauigkeit.
Ich meine, man sollte auf Strukturen gehen. Zum Beispiel Orchester für
sich abschaffen, den Klang des Zuhörens wieder brechen, denn Zuhören
macht den Klang, und jeder, der spielt, ist der erste Zuhörer. Ich
glaube nicht, dass alles einen Klang hat. Obwohl ein solcher Glaube
entgegen der christlichen Antisensualität schon ganz gut tut. Aber
diese Idee, der Kosmos und alles, klinge in sich, weist jedem
historisch gewordenen Ding und den Zusammenhängen das selbe
geschlossene Konzept zu.
Aber wäre das, so ein materialistischer Klangsymbolismus, nicht das
vermessene Gegenstück zur Aufhebung der schrecklichen, unberechenbaren
Wirklichkeit in der Hochkultur? Die Aufhebung von Machen und
Konsumieren kann man doch nicht künstlich erzwingen.
Doch, das müssen wir. Um daraufhinzuweisen, dass virtuoses Spiel und
kein Onkyo gegen manipulativen Dauersoundtrack und Flucht-Beschallung
etwas ausrichten kann, wenn sie lediglich Rückzüge sind.
Also wäre die buddhistische Seite des Zen einer Kritik auszusetzen?
Das europäische Dispositiv ist bestenfalls zum intellektuellen Dispo
geworden, oder? Damit kann man sich in die akademische Medienwelt
einkaufen. Die materiale Seite von Zen wäre weiterhin spannend. Zu
sagen, es gibt keinen No Input wäre beinahe zu wenig, weil es bloß den
Bezugpunkt wechselt. Für den Mann am Mixer ohne Eingangssignal gibt es
kein bedeutungsvolles oder irgendwie geordnetes Signal von Außen. Das
verweist ja nicht nur auf die Flucht -- positive Flucht vor dem
Beschallungsterror. Es verweist auch auf die Elektrizität und das
Gerät, aus der das Signal und der Ton gemacht wird.
Also mit dem neuen Interesse am Materialismus, ohne metaphysische
Transzendenz, eine ästhetische Sensibilisierung für veränderbare
Seinsgegebenheiten. Jeder No-Input Mixer muss die Schallwandlung aber
mitbedenken. Also wäre an dieser Stelle No Input eine Art
materialistische Denkweise?
Mh, wenn zu sagen "es gibt keinen No Input" nicht reicht, kann man
auch sagen "ohne Material kein Output". Der No Input Mixer hat ja
einen Input, nur einen vor dem Schall, etwas bevor etwas etwas
bedeuten könnte, so als handele es sich um reines Material, als sei
es das Grundexistentielle. Die Bezeichnung No Input will nur plakativ
sagen, was es nicht weiß. Dass es auf elektrischen Strom ...
Die Metaphorik der Elektrizität.
... angewiesen ist und Draht und Papier und so weiter, und hier
akustische Signale in elektrische Signale und umgekehrt gewandelt
werden. Eine relativ einsichtige Form, pure Form (!) der Demonstration
des Technik-Natur-Verhältnisses. Fast schon ein Physikbaukasten. Das
Resultat, dieses Feedbackgeknackse und Fiepsen, ist faszinierend, aber
relativ unwichtig. Dieses Resultat muss man eventuell wieder wichtig
machen und nicht allein die Bespielung thematisieren.
Feedbackmixing vom existentialstischen Wieso und Weshalb befreit.
Ja, Vergegenwärtigung ohne Ich-ich-ich-Versenkung. Der
Instrumentalismus hört immer nur den kommenden Ausgang, das was
narzisstisch zu sagen wäre. Die entmystifizierte Maschine kann zum
narzisstischen Instrument werden. Aber da streiten sich die Modelle
vom Subjekt. Wäre das Instrument nun das Gerät des sich mit anderen
verwirklichende Individuum oder verwirklichende Subjekt, oder sagt
das Subjekt immer nur das, was bereits angesagt ist? Spielt die
Maschine oder ihr Programmierer als Graue Eminenz, und wird
Reprogrammierung mit Retraining und mit den Verhältnissen verwechselt?
Gut, auf die neue Relationalität von Maschine und Mensch sind wir ja
zur Genüge vorbereitet worden. Die breite Medienaufmerksamkeit mit
dem schwulen Turing als Vertreter der erweiterten Diversity in The
Imitation Game, der hitchBOT und vor Jahren die Cyberpunk und
Cyborggeschichten zielen allein nicht nur auf die Akzeptanz der
Maschine als ebenbürtiger Einheit, wie ein R2D2. Sie zielen auch auf
eine Abgrenzung von ihr, als Spezies, welche die Automatisierung
erkennt, ohne sie zur Bedrohung zu erhöhen. Aber Turings Affront ist
weniger das der Maschine, die war als Untergeordnetes mit Eigendynamik
schon lange bekannt, sondern, dass menschliches Tun simulierbar ist.
Ja, wenn wir über die Klänge, die wie Blumengestecke und
Kreuzworträtsel funktionieren sollen hinauskommen wollen, wäre von der
Naturalisierung von Technik abzusehen. Was ein ganz wichtiges, sagen
wir Training wäre. Denn Sounds ändern an banalen Tatsachen wie
Geldverdienen, Abwaschen Kommando nichts direkt, höchstens zur
Arbeitserleichterung taugen sie. Ich denke, solange der maschinellen
Eigendynamik kein Eigensinn zugewiesen wird, müssen sich die
wirklichen Roboter, Arbeiter, keine Sorgen um ihre Ausbeutung machen.
Zdeněk Pešánek hatte für die Edison Transformatorenstation in Prag
eine Lichtskulptur entworfen. In der Nationalgalerie in Prag wird das
Brummen der Transformatoren hinter Holzplatten simuliert und das
Perpetuum mobile damit wieder hervorgeholt.
Ja, sie holen das Perpetuum mobile raus und zeigen zwar so
stahlträgerartige Formen und Glas, Zeichen der Moderne. Aber eben der
so genannten Moderne. Wenn ich Hand anlege an die Regler, setze ich
mich wenigstens ins Verhältnis zum Produkt. Vergessen wir nicht,
Futurismus ist kein Mainstream, er ist nur akzeptiert in eine seiner
Erscheinungen, so wie der Kies im Garten, den der
Grundstückseigentümer am Wochenende recht. Der Gegensatz Sprache und
Sound ist ein falscher. Die Strukturierungsmomente und die Verweise
sind entscheidend, nicht das fixum. Der Verweis muss überhaupt wieder
in den abstrakten HipHop hinein.
HipHop?
Ja. Genres sind erstmal völlig zu vernachlässigen, weil sie ja heute
alle greifbar sind, nutzbar sind. Instrumental-HipHop gab keine
musikalische Basis für einen Rap mehr her. Und Noise ist auch eine
Reaktion darauf, weil darin immer noch Gestus war. Aber Noise ist
kein Universalgenre, das alle anderen frisst. Diese essentialische
Klangharmonie, angeblich ohne die bisherigen Muster der Musiken, ist
nur tendenziell Leere. Das kann man daran erkennen, dass Noise immer
voll voll voll ist. Je mehr Schallquellen oder Signale, um so besser,
desto mehr Komplexität lässt sich für den Bediener erreichen. Die
materielle Basis ist selbstverständlich gegeben und ausschlaggebend
für das Ergebnis, das sich durchaus von der Tonalität unterscheidet
und etwas anderes will. Oder eben Wollen nicht will. Aber es wird
wohl nicht genügen, dem ganzen Dröhnen einfach die richtigen Messages
zuzumischen, um wieder politisch zu werden.
Ja, denn neben dem Warum man solchen Klang macht, machen lässt, wenn
man nicht ins Fummeln mit Playmais verfallen will oder die wunderbar
freie anarchische Beliebigkeit unbegrifflicher
Kreuzworträtsel-Kombinatorik ...
Die aber auch begrifflich produktiv wirken kann.
... aber es wird assoziativistisch. Wenn etwa das Querwort zu
Japanisch sagen wir Schnee lauten kann oder zum Beispiel Andreas,
liegen verschiedene Assoziationen vor, die gleichwertig erscheinen,
aber inhaltlich weit auseinanderliegen.
Gut nehmen wir, weil das für Spielsituationen als öffnender Score
genutzt werden kann Kreuzworträtsel und das Wort Japanisch. In
Kreuzworträtseln gibt es immer Reste zwischen den Feldern. Das kann
ein SA sein, ein HH, ein HT oder soetwas. Dafür ...
Für etwas, das nichts bedeutet, bezeichnet.
... würde sich eine lettristische Strömung des Noise interessieren.
Lettern als Material und Bedingung. Eine solche Strömung existiert
aber vielleicht garnicht. Weil der radikale Krach, Verweigerung,
abstrakte Formel, sich sogar noch der Bewertung des Randständigen
entzieht. HH oder HT bedeuten dann nichts mehr, außer sich selbst
zu sein.
Wenn es dieses Sich übergeordneter Eigenbewegung denn gibt. Die
kritischen Realisten benötigten immer etwas, das schon denonativ,
konnotativ besetzt war, noch nicht zerlegt und 'gestört' war, um es
zu zerlegen. Das macht sie zu Formalisten, die abhängig vom
Gegebenen, dessen Zusammenhang nicht erkennen. Was wiederum hilft,
die Grammatiken zu verstehen.
Daran erkennt man aber auch ihren Befreiungsmessianismus, ihr
Zerhacken. Wenn kein Sujet mehr vorliegt, kann nichts zerstört
werden. Wenn keines angestrebt wird, gibt es kein Aussage mehr,
außer der des zu leugnenden Kontextes der Musiken. Wird sogar dieser
Nicht-Kontext aufgegeben, liegt dieser nicht vor, stünden die Dinge
frei und wären, was sie an sich sind. Ein Stein, ein Tintenstrich,
ein Zwirbeln.
Genau das war ja mit Playmais gemeint. Man kann alles ohne
geschichtlichen Zusammenhang bauen, aber es bleibt ohne Relevanz
außerhalb des Spiels.
Ist nur Spiel.
Ja.
Kann aber zu etwas führen.
Toshimaru und Matzu spielen mit dem Transnational Noise Orchestra am
2. März im Madame Claude in der Lübbener Str. 19 in Berlin.
Real Improvised from Japan®
+マツ YaHei
Toshimaru + Matzu
We're happy that there is no No-Input there. Since a signal
is a meta of sound and not of off. We're also sorry
that there is no Oke