Einträge vom Samstag, 03. April 2010

[thing-group] Received 03. 04. 2010 00:06 from

Re: Stromausfall und sonstige Armut

Hallo, Hr. Beck und alle die noch "leben",

Hier mal was anderes,
auch Texte aus Österreich, von:

DER KNAUSERER die 1. Online-Zeitung fuer Sparsame
Der Knauserer ist ein kostenloses E-Zine, das ca.
12mal jaehrlich erscheint. Herausgeber: Michaela Brötz,

www.derknauserer.at

Hier geht es um die neue Ethik des Verarmens:

Ich hoffe ich darf daraus zitieren:


"Vor einiger Zeit habe ich mir in der Stadtbibliothek in Schwaz das Buch
"Die Kunst des stilvollen Verarmens" von Alexander Schönburg-Glauchau
ausgeliehen (ihr wißt schon der Bruder Glorias). Lange habe ich mich ge-
scheut, das Buch zu lesen, als ich aber zur Tat schritt war ich positiv ange-
tan, denn der Wälzer enthält doch die ein oder andere sehr sinnvolle Anregung.
Hier die zentralen Aussagen:"

ÜBER DAS POSITIVE DES VERSAGENS
Die fetten Jahre sind vorbei. Aber der wirtschaftliche Niedergang hat auch etwas
Positives. Denn "jahrzehntelang redete der Kapitalismus uns ein, Armut sei
etwas Beschämendes, Armut bedeute: 'Der hat es nicht gepackt', der Blöde, der Faule.
Die Legende des Kapitalismus, der uns ständig einbläute 'JEDER KANN!" hat sich als
unhaltbar erwiesen.
[...]
Wer heute verarmt, muss sich nicht länger als persönlich Scheiternder fühlen -
er verarmt als Teil eines viel größeren Prozesses." (S16)
Aber dieses Scheitern könnte auch eine Chance sein. Zunächst ist es wichtig,
dass man sich "einen nicht gar so buchhalterischen Umgang mit Erfolg und Misserfolg" (S63) zulegt.

Auch kann das, was man als Glück ansieht, oft genau das Gegenteil sein. Dazu das
schöne Zitat von Oscar Wilde "Wenn Gott die Menschen strafen will, erhört er
ihre Gebete."
Wer also irgendwelchen "glatten Klischeevorstellungen von Glück hinterherläuft,
macht sich garantiert unglücklich. Die echte Armut erwächst dem Menschen nicht
durch seinen Mangel an irgendwelchen Dingen, sondern durch seinen Wunsch nach
Perfektion, worin auch immer sie gesucht wird, ob in Gesundheit, Schönheit und
Reichtum."

Das Leben hat Unebenheiten, die sollte man schätzen lernen.
Weiters sollte man Prioritäten setzen! ("Es geht viel mehr darum, zur Überprüfung
all der Wünsche anzugen, di euns von unserer Konsumindustrie als begehrenswert
eingeredet werden, in Wirklichkeit jedoch lästig und geschmacklos sind." (S65)

Wirklichen Luxus findet man in keinem Kaufhaus. "Er besteht vielmehr in der
Selbstbehauptung gegen überflüssige Verlockungen, die unser Leben nicht
verschönern, sondern lediglich vermüllen. [...] WIDER dem FRUSTRIERENDEN
RUNDUMKONSUM!" (S65)

UNSER ARBEITSBEGRIFF
Arbeit war früher als Strafe gedacht. Doch dann kamen Luther und Calvin und erhoben
Arbeit zur Tugend. "Doch zum Lebensinhalt taugt sie am allerwenigsten, denn meist
ist sie gleichbedeutend mit der Flucht vor dem eigenen Leben, vor dam man dann mit
einem horror vacui steht, sollte die Arbeit mit aller der Anerkennung, der Achtung und
dem Status, die mir ihr einhergehen, einmal nicht mehr da sein." (S68)
Der hochgelobte Workaholic ist eigentlich nur ein Mensch, der es nicht schafft,
sich Rückzugsräume ins Privatleben zu schaffen und Raubbau an sich selber betreibt.

ÜBER VERSCHWENDUNGSSUCHT UND EIN NEUER LUXUSBEGRIFF
Die Kunst des Verzichtenkönnens ist der Verschwendungssucht nicht nur aus
ästhetischen Gründen überlegen sondern auch aus praktischen: sie optimiert den
Genuß. Selbst Epikur sagte schon:"Meide Genusssucht, nicht weil Sinnesgenüsse
schlecht sind, sondern wegen des Katers, der ihnen bei Überdosierung folgt."
Für Epikur führt ein zeitweiliger Verzicht zur Steigerung der Genussfähigkeit (und nach 2
Verzichtsmonaten kann ich die Grundidee der Aussage eigentlich nur unterstreichen).

Auch die Volkswirtschaft kennt das Phänomen des ständigen Überkonsums und nennt
es "abnehmender Grenznutzen". "Ab einem gewissen Punkt macht zusätzlicher Überfluss
gar keinen Unterschied mehr." (S24)

Aber die Überflussgesellschaft und ihr Helfer die Werbung versuchen uns dennoch
einzubläuen, dass Glück käuflich sei. Daraus folgt die Forderung:

"Wir brauchen einen neuen Luxusbegriff! Wohlstand hängt nicht davon ab, viel Geld
und viele Dinge anzuhäufen, man kann ihn sich nur durch die richtige Haltung
aneignen. Zu dieser Haltung gehört die Fähigkeit, verzichten zu können, wo alle
zulangen; die Unabhängigkeit, den Lebensstil der anderen nicht zum Maßstab für
einen selbst werden lassen." (S 25)

Ohne Geld so weiter kann man reich werden, "wenn man alle seine Bedürfnisse darauf
überprüft, ob man nicht ohne sie reicher ist." (S26)
Hier kann uns wieder die Krise helfen, denn Verarmung kann uns lehren, Prioritäten
zu setzen oder überhaupt erst zu erkennen, was einem wichtig ist.

Genuß, so ist wichtig festzuhalten, ist keineswegs etwas Schlechtes. Nur ist die
echte Kunst dahinter "erstens die wirklich schönen Dinge zu erkennen und sie
zweitens so zu dosieren, dass man am meisten von ihnen hat." (S27)

DER BEGRIFF DER TEMPERANTIA
"Das Geheimnis des Genusses besteht darin, seine Begierden zu kennen und sie -
statt wie der Asket zu bekämpfen oder zu negieren - zu mäßigen" (S160)
Ein für mich sehr wichtiger Satz: das einfache Leben hat mich Askese nichts zu tun,
Es geht viel mehr um das was von Schönburg "TEMPERANTIA" nennt - die Kunst der
rechten Komposition.

Das Haben-Wollen solle man nicht als menschliche Schwäche abtun, sondern sie als
menschliches Bedürfnis akzeptieren. Gleichzeitig sollte man versuchen, sich ein
gesundes Maß an Nonkonformismus zuzulegen.


DIE GESELLSCHAFT DER EIGENTUMSLOSEN
Ein sehr spannender Punkt ist folgender
"Der Historiker Rolf Peter Sieferle behauptet, dass wir uns trotz unseres relativen
Massenwohlstands zu einer "gesellschaft von Eigentumslosen" entwickelt hätten.
Heute hat die Gesellschaft zwar uer durch alle sozialen Schichten hindurch Hunderte
Habseligkeiten, doch eine verschwindend kleine und immer kleiner werdende Schicht
verfügt über tatsächliche Werte."(S172)
Werte natürlich nicht als Sachwerte gemeint sondern eher als Tugenden.
"Einer der erfreulichsten Aspekte relativer Verarmung ist, dass man dadurch endlich
die chance bekommt, sich von all dem Wohlstandsmüll zu befreien. Damit einem
das gelingt, muss man sich allerdings zunächst der Gehirnwäsche bewusst werden,der
man als gedankenloser Dauerkonsument ausgesetzt ist." (S173)

Das System des Konsumismus "funktioniert also mit der ständigen Vorenthaltung des
eigentlich Versprochenen. Es ist das einfache System vom Esel und der Karotte
am Stock." (S174) Dauernd gauckelt uns die Werbung nämlich etwas vor, das es
zu kaufen gilt. Haben wir es erworben, so ist auch die Werbung einen Schritt weiter.

Aber nicht nur die Werbung ist hier unser Feind, sondern der Kapitalismus an sich.
"Nach der kapitalistixchen Weltsicht ist man geradezu zum Konsum verpflichtet,
denn dieser ist das sichtbare Zeichen von Fleiß."(S177)

Doch neuerdings entwickelt sich eine neue Kaste, jene der Konsumdissidenten.
Allerdings nicht zu verwechseln mit Schnäppchenjägern
"Denn durch wenige Dinge wird so viel Geld verschwendet wie durch Schnäppchen-
jagd. [...] Die Ladenketten haben unser zwanghaftes Zulangen bei Produkten deren
Preise sichtbar heruntergesetzt sind, längst erkannt,daher findet man ja bei
Schlecker kaum noch Sachen, die nicht "im Angebot" sind." (S179)

Deshalb sieht von Schönburg das Ende einer Wohlstandsepoche nahen, bei der vom
Überfluss abgekehrt wird. Und zitiert aber für eine rosige Zukunft John Ruskin:
"Es gibt keinen anderen Reichtum als LEbenmit all seiner unendlichen Fähigkeit
zu Liebe, Freude und Bewunderung."
Und zitiert an anderer Stelle Malcom Forbes "Wenn man in Reichtum leben
will, ist Geld der Ruin." Denn wirklich arm seien nur die Reichen, die sich hinter
selbstgekauften Fassaden verstecken, oft unfähig, eigene Fehler einzugestehen,
andere zu schätzen und zwar unabhängig von deren sozialem Status.

WIDER DEM EGALITARISMUS
In einem fort wird uns suggeriert, dass wir auf der Leier des Erfolges ganz nach
oben gelangen könnten. Jeder fühlt sich zu Großem berufen. Nur hat so eine
Erwartungshaltung einen gravierenden Nachteil: das Scheitern wird zum Versagen.
Je mehr uns Reichtum als realistisches Ziel vor die Nase gehalten wird, desto
mehr steigt unsere Frustration, wenn wir es verfehlen. S212

Dabei rät uns von Schönburg eher zum Robinson-Crusoe-Prinzip. Das was wir nicht
haben, weniger hoch einzuschätzen, dafür aber die Dinge achten zu lernen, die
wir haben. Gleichzeitig "das Leben mit seinen Unebenheiten annehmen, statt sich
in die Opferrolle zu begeben." (S216)

Und dabei zu achten, innere Unabhängigkeit zu erlangen: zu haben was man
haben will, und darauf zu verzichten, was man haben soll.
Und dabei auf Werte zu Höflichkeit, Belesenheit, Klugheit, Gerechtigkeit,
Tapferkeit, das rechte Maß ... nicht vergessen, denn mit Tugenden kann
man getrost verschwenderisch umgehen. Niemand ist zu klug, zu gerecht,
zu maßvoll ...












Es entsteht Daten-Architektur ohne Architekten und Kunst ohne Künstler.

> Hallo Hr. Beck,
>
> schöne Sequenzen im Text von Burger, danke für die Einstellung.
>
> Sind wir etwa schon so weit von uns "Selbst" entfernt, das wir nur noch in der Dekonstruktion, Reste unseres wahren Selbst an-erkennen können?
> Das könnte ja ebenfalls, in der Aussage projektiv gemeint sein, ...
>
> Kunst erkennt sich nur noch überall dort, wo Kunst-Markt etc., auf jeden Fall, nicht ist.
>
> Ich hatte zudem immer gehofft, das kreativ-künstlerische Betätigung Ressourcen freisetzt, die nicht nur affirmativ danach trachten, sich selbst um ihrer Selbst-Willen zu bestätigen, sondern in der Entfesselung gebannter, fixierter Kräfte, zu einer Veränderung, Befreiung und Autonomisierung der allgemeinen Lebensbedingungen aller Menschen fortschreiten und beitragen.
>
> Tja?

--

The Thing Frankfurt
http://www.thing-frankfurt.de

* * *

Stefan Beck
Hohenstaufenstr. 8
60327 Frankfurt
T. ++49-(0)69 - 741 02 10

Thing Frankfurt Mailinglist:
mailto:thing-frankfurt-subscribe [at] yahoogroups [dot] de




[Die Teile dieser Nachricht, die nicht aus Text bestanden, wurden entfernt]



------------------------------------

Suche

 

Futter fürs Handy:

Ein QR Code Tag fürs Handy

Check Mobile Tagging