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:°| n0name nachrichten #150

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:°| n0name nachrichten #150 Do., 02.12.2010 07:35 CET

*Inhalt/Contents*

1. Buchbesprechung von _Ein halbes Leben_ in Form eines Interviews
2. Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 46

34 KB, ca. 10 DIN A4-Seiten

---------------------- Wieviele qm brauchst Du ? -----------------------

"Dealstadt"

Das Bauministerium und Technovaeter brachten es fertig, Villenbauer
und Hochamtarchitekten, sowie Protestler gegen die "Vermarktung" des
Urbanen, unter der Behauptung Staedte, seien aus Wuenschen gebaut,
unter einem Dach des stillgelegten Berliner Kraftwerks in Mitte zu
versammeln. Diese sogenannte "Realstadt" ist aber die ausgestellte
Dealstadt der "New Patrons", die Widerstand und "staedtbauliche
Loesungen" vermengend veraesthetisieren. Es war kalt, es war windig.

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1.

Buchbesprechung von _Ein halbes Leben_ in Form eines Interviews

von und mit Yelena Simc und Matze Schmidt


Yelena Simc: Wenn wir hier eine Art Live-Rezension machen, dann hat
das etwas von einem inszenierten literarischen Duo ...
Nichtsdestotrotz bietet diese Form die Moeglichkeit, eben jene Form,
also die des Interviews, nochmal zu beleuchten. Die Frage ist nur,
wie tief man in Formfragen "versinken" will, um zu dem zu kommen,
was gesagt werden sollte. Ist das nicht auch der Anspruch des Buches,
um das es uns hier geht?

Matze Schmidt: Zunaechst muss man sagen, dass dieses Interview
vollstaendig nicht als Gespraech oder Chat, sondern ja an der
Computer-Schreibmaschine entsteht. Das macht einen kleinen
Unterschied. Das Authentische der Interviews im Buch _Ein halbes
Leben_ liegt in den, wenn auch transkribierten, Mitschnitten, also
audiomaeszig aufgenommenen Gespraechen. Wir beide muessen am Monitor
und an der Tastatur nun nicht das eventuell Druckreife der Rede
herausstellen, wir muessen das Reden herausarbeiten.

Yelena Simc: Du hast mir vor diesem Tipp-Interview gesagt, dass Dich
das Buch darauf gebracht hat, wieder mehr Interviews zu machen. Den
Herausgebern des dicken, dicken Bandes, der biografische Zeugnisse
versammelt, erging es ebenso mit dem Buch _Das Elend der Welt_ von
Bourdieu aus den 190er Jahren. Sie wenden das Gespraech, das
Interview als Form ebenfalls an, zur Reflektion ihrer eigenen Arbeit.
Jetzt kommt mein Hakenschlag: Ist diese Arbeit der Soziologen mit
der Arbeit, die sich als Faktum und Begrifflichkeit im Buch ueber
etwa 760 Seiten erstreckt, ist diese Arbeit gleich der Lohnarbeit,
um die es in den Interviews mit Lehrern, Fabrikarbeitern,
Musikerinnen, Arbeiterinnen geht? Welche Distanz geht da vor sich?

Matze Schmidt: Das ist gut, Distanz als Vorgang, und nicht als rein
schon vorhandenes, messbares -- . Ja, die Arbeit einer Soziologin ist
sicher keine Lohnarbeit. Sie ist, und das dokumentieren die
Herausgeber auch selbst, eine privilegierte Arbeit, also
gesellschaftlich bessergestellte Arbeit, die mit Geldern aus Steuern,
das heisst aus dem Topf der Lohnarbeiterinnen und Angestellten, um
die es hier wiederum geht, bezahlt wird. Das Interview bietet aber,
glaube ich, zweierlei. Es zielt einerseits darauf, diese Distanz, des
Beobachters und Deuters zum "Objekt" aufzuheben. Es ist also ein
wissenschaftliches Subjektivierungsapparaetchen, koennte man sagen.
Andererseits bietet es, die eigene Denke, die ohnehin akademisch ist,
zu ueberdenken. Denn waehrend wir beide hier tippen, werden meine
kleinen Notizen und Anstreichungen in den Texten des Buchs relativ.
Und das Gespraech nimmt einen Verlauf, den ich als Rezensent zwar
fingieren koennte, der aber dann eben nicht faktisch dialogisch ist,
sondern fiktiv dialogisch waere. Die Aussage, das Zeugnis, das
Gespraech und die Aufzeichnung sind die beiden Grundbedingungen,
natuerlich innerhalb eines Settings. Im Interview, so reflektieren
das auch die Herausgeber Schultheis, Vogel und Gemperle, werden
Sachverhalte zur Sprache gebracht, die im Formblatt, im Fragebogen,
im Abfragen nicht oder so nicht aufkommen. Ihre Inspriration dafuer
beziehen diese aus dem Verstehensbegriff nach Bourdieu. Was mich
aber immer wundert, soetwas.

Yelena Simc: Interview das Mittel und Medium -- was verwundert dabei?

Matze Schmidt: Mich wundert, dass Verstehen, beziehungsweise wundert
es mich nicht, dass das Verstehen des Gegenuebers im Gepraech als
Technik und Methode und nicht die Verbegrifflichung der Situationen
der Arbeiterinnen in der Soziologie ploetzlich so wichtig wurde. Ohne
Kenner zu sein wird doch schnell klar, dass die Wissenschaft, in
ihrer Zerzettelung der Geisteswissenschaftlichkeiten, den Kontakt zur
Klasse der Arbeiter verloren hat, aber ueber sie raesoniert,
raesonieren muss. Da das vielleicht ihre Aufgabe ist, als buergerliche
Wissenschaft. Da koennte man Lukács folgen. Nur wurde dann mal klar,
nicht nur weil Sozialisten ihre Professorenstellen innehatten, dass
die Begriffe der Soziologie nicht greifen, wenn man nicht oder nicht
mehr weiss, wie die Selbstdarstellung des Sozialen aussieht, zu der
man eine Lehre verfasst und diskutiert.

Yelena Simc: Aber, dass sich eine Wissenschaft das Verstehen,
genaugenommen die epistemologische, das heisst die auf die Bedingungen
von Erkenntnis gerichtete Grundproblematik, aber auch als die
Grundvoraussetzung der Kommunikation, dass dieses sich diese
Wissenschaft von der Gesellschaft erst wieder erarbeiten muss, oder
eben erarbeiten will, ist doch signifkant und ein guter Ansatz.

Matze Schmidt: Fragt sich nur, was daran signifikant ist, was daran
symptomatisch ist fuer eine Wissenschaft, die abgehoben nun
Erdung sucht. Schultheis war damals einer der Autoren in _La misère
du monde_ und hat auch bei Bourdieu habilitiert, sich auf seine Rolle
als Professor vorbereitet. Ich meine, man darf den Apparat der
Wissenschaft nicht verkennen. Die Formulierung eines neutralen oder
objektiv-subjektiven, in diesem Wechselverhaeltnis durchdachten
Verstaendnisses macht noch keine Abkehr vorm buergerlichen Niveau
der Theorie aus, welches immer davon ausgeht, zu spaet zu kommen.

Yelena Simc: Du kritisierst quasi die Institutionaille. Im Englischen
gibt es den Ausdruck righting the wrongs. Ueber Eva Valesh, die als
Aktivistin, wuerde man heute sagen, und Gewerkschafterin, soweit ich
weiss, Arbeiterjournalismus betrieben hat, gibt es ein Buch...,

Matze Schmidt: Ich ergaenze mal kurz und schlau: Das Buch heisst
_Writing the wrongs: Eva Valesh and the rise of labor journalism_.

Yelena Simc: ... muesste man dem nachgehend eher den Anschluss suchen
an die Arbeiter-Reportagen, bei denen nicht die universitaer
Geschulten das Wort erteilen, sondern Arbeiter selbst reden und
formulieren und publizieren? Wenn man herausfinden will, wie es in
der gesellschaftlichen Struktur der Industriearbeit und im
Dienstleistungssektor aussieht, ist doch eher an die verschuettete
und zurueckgedraengte Selbstaufgabenstellung der Arbeiter, naemlich
ueber sich selbst und ihre Situation zu berichten, anzuknuepfen.

Matze Schmidt: Ja. Ich habe das eben genannte Buch ueber Eva
Valesh noch nicht durchgelesen. Und da liegt auch schon der Mangel.
Ich treffe Dozenten, Geisteswissenschaftler, Philosophen, die mir
gestehen was jeder weiss -- . Die gar nicht mehr die Zeit haben, die
Texte zu lesen, ueber die gesprochen werde muesste. Der ganze Berg
der Sekundaerliteratur bestimmt scheinbar die Lage und Texte sind nur
noch Sample-Material fuer den selbstgefaelligen Akademismus und nicht
mehr Erkenntnismedium. Samples koennten ja auch spielerisch
angewendet werden, experimentell. Das wird aber schnell
Romanschreiberei und gehoert dann umgehend in die Bestsellerlisten
der Populaerwissenschaft. Aber was ist die Aufgabe einer Rezension?
Ist die Aufgabe, das Buch bekannter zu machen? Wer, den es anginge,
kauft ausserdem ein Buch fuer knapp 40 Euro? In dem Buch, welches wir
hier bereden, wird das von den Machern auch klar geaeussert, dass sie
sozusagen die Arbeit der Journalisten uebernommen haben, also ueber
die Arbeitswelt jetzt aktuell zu schreiben, die man so nicht findet
in den Zeitungen. Ich kann das nicht voll beurteilen. Momentan
scheint der Fernsehsender arte und die daran haengenden VJs das zu
machen, was man als Berichte ueber Lohnarbeit nennen koennte. Man
sieht etwas ueber die moerderischen Bedingungen der Goldgraeber in
Guinea, oder ueber die Ausbeutung in einem 24 Stunden-Spaetkauf,
etwas ueber Konzerne im le monde diplomatique-Stil. Die Bilder aber
sind wiederum nicht selbstrepraesentativisch. Das sind nicht
Artikulationen der sogenannten Betroffenen. Die Bilder, die Montage
sind der Rahmen innerhalb dessen Arbeiterinnen zu Wort kommen.
Sicher ist die Leistung der Gesellschaftsforscher und
Gesellschaftstheoretiker, seien sie mit der Kamera oder dem
Diktiergeraet unterwegs, den Zeugnissen eine ueberhaupt mal Rahmung
zu geben oder Hintergrundinformationen beizumischen, wichtig. Aber
auch das koennte ja von Arbeiterinnen selbst geleistet werden. Da
sich die Teilungen der Arbeit der Gesellschaft aber auch im Buch
darstellen wie sie sind -- hier die Theorie, da die Produzentinnen,
hier die Fragenden, da die Erzaehlenden -- kommt den Interviews in
diesem Buch hier auf Metaebene, sozusagen als Statement, auch eine
aufbrechende Stellung zu, die diese Arbeitsteilung des Wissens
problematisch macht.

Yelena Simc: Doch auf die beruehmte "reflexive Distanz", die von den
Herausgebern zitiert wird, kann man sich doch nicht zurueckziehen,
wenn damit gemeint ist, sich als Fragende an die Stelle der Befragten
zu versetzen ohne in ihr aufzugehen. Wenn man das Dialogische, das
gemeinsame Reden stark macht, dann ist dieser Abstand zur anderen
Person immer wichtig, weil nicht alles Gesagte einfach unbefragt
uebernommen werden kann. Andererseits ist aber klar, dass die
Fragende nie die Situation der Befragten einnehmen kann, dadurch aber
auch die Reflektion in der befragten Person in Gang kommen kann.

Matze Schmidt: Wenn die Befragung selbst befragt wird, ja. Wenn nicht,
kommt man wieder zu interpretierbarem Material fuer Interpreten, die
dann wieder von anderen Interpreten interpretiert werden. Diesen
Regress kann man nicht aufloesen, nur unterbrechen. Man muesste also
zweierlei haben. Etwas von dem, das du bereits erwaehnt hast, die
Reportage ohne journalistischen Sensationswillen, folglich den Bericht
der Arbeiterin selber, und die Befragung dieses Berichts. Das kann man
nicht alleine leisten. Auch das Buch- beziehungsweise Autorenteam war
wohl sehr gross und half sich in der Selbstkritik. Von der Soziologie
kann man aber vielleicht nicht mehr erwarten, denn die Form des
Gespraechs zu nutzen, um das Gesagte wieder in den eigenen
disziplinierten Diskussionszusammenhang zu stellen. Dass alle
Autorinnen oder Expertinnen ihrer eigenen Sache waeren, ist zur Zeit
nicht einloesbar. Warum das so ist, auch daruer gibt das Buch,
vielleicht auf einer weiteren Metaebene oder versteckt Hinweise.

Yelena Simc: Ja, die Konfrontation Arbeit und Kapital bleibt da
merklich unbedacht, ist aber letztlich praesent. Auf Seite 35 gibt es
einen Druckfehler, "Es faellt der Mittelstand" haette offenbar lauten
muessen "Es fehlt der Mittelstand", darauf erkennt die
Lagerarbeiterin, das ist ihr Befund. Der Mittelstand schrumpft, muss
aber zugleich die massenhafte Stuetze des Kapitals bleiben.

Matze Schmidt: Ja, wenn es sich wirklich um ein instruktives Buch
handelt, ein lehrreiches, gemeint wie eine Zustandsbeschreibung,
fallen -- wenn wir schon beim Fallen und Fehlen sind -- dann fallen
die Berichte von dem ab, was das bildungsmaechtige Kleinbuergertum
mit Doktortitel will. Denn dieses will, wie z.B. Frigga Haug, morgens
in Ruhe vier Stunden schreiben und dann den Winter auf La Palma
verbringen. Es ist schon auf einer anderen Seite. Die Interviews
wurden zwar mit Apothekerinnen, Postbeamten, Software-Entwicklern und
LKW-Fahrern und auch Rechtsanwaelten, gefuehrt, aber nicht mit
Akademikerinnen im Hochschulbetrieb. Die sogenannte Generation
Praktikum, die Volontaere an den Unis haetten da sicher einiges zu
sagen.

Yelena Simc: Ja, das steht hier nicht drin. Aber diese Angriffe finde
ich auf Dauer etwas unproduktiv, da sie beim Vorwurf der
Diskreditierung bleiben. Zum Aufstieg im Betrieb, der sich als
permanenter Fall darstellt ist ja doch einiges herauslesbar im Buch.
Die Arbeitsverhaeltnisse bespielsweise der Lagerarbeiterin sind gut
beschrieben, da sie zeigen, wie der Druck steigt, wie Mehrarbeit und
Lohnkuerzung im Zusammenhang stehen.

Matze Schmidt: Aber nur punktuell. Der Zusammenhang der brutalen
Lohndrueckerei wird nur fuer den einzelnen Betrieb, die Branche
angerissen.

Yelena Simc: Muesste man sagen: das halbe Leben, das da zur Sprache
kommt, sagt nicht, dass dieses Leben eben halbiert wurde, dass
Lebenszeit, naemlich im Verkauf der Arbeitskraft, gestohlen wird vom
Kapital?

Matze Schmidt: Klingt wie eine Phrase, waere aber der Zusammenhang,
den ich hier vermisse. Die Musikerin sagt irgendwo etwas vom
Oekonomischen. Das Oekonomische zwinge einen, so und so zu handeln,
zwinge einen vereinzelt wiederum seine genuin oekonomischen
Interessen zu vertreten. An einer anderen Stelle sagt sie, dass
ihr Tun wie Arbeit sei. Sie erkennt, dass sie, Kennerin von Musik
und Produzentin von Erkenntnissen ueber Musik, diese nur
warenfoermig verbreiten kann. Diese Illusion, das eigene Tun sei
doch bisher vielleicht nicht Arbeit gegen Geld gewesen und es sei
besser, wenn es nicht Arbeit gegen Geld waere, ist die Artikulation,
dass es auch anders sein koennte. Doch es ist auch die Einsicht, es
kann unter den hier noch unbestimmten Voraussetzungen nicht anders
sein. Eine Desillusionierung an der eigenen Person und das Manko
von Wissen ueber die eigene Stellung, ja Stellung als Posten
hinaus.

Yelena Simc: Also wenn diese individuellen Geschichten dazu
dienen, die eigene Klasse an den Tag zu legen, wie es im Interview
mit der Bankerin bezogen auf ihren elitaeren Habitus gemeint war,
ihr sicheres Auftreten, ihren Stil, ist das fruchtbar.

Matze Schmidt: Sicher, nur wie die BBC sagt, "stories behind the
headlines"..., diese Geschichten hinter der Kulisse der Sensation,
finden eben immer erst hinter den Titelzeilen statt. Sie kommen
zeitlich und strukturell immer erst danach, werden von der
Verkuerzung bedingt. Alle Hoffnungen, demokratisierte Autorenschaften
eines Internet wuerden das aufheben, sind vorbei, weil sich die
sozialen Netzwerke moeglicherweise polyphon und wie im Fall
Wikipedia koordiniert geben, dennoch die Verfassheit von Einzelwesen
in der Arbeitswelt nicht ausraeumen koennen. Da hilft wohl auch
kein kultureller Kapitalbegriff weiter.

Yelena Simc: Man sieht, die organisatorischen "Tools" sind da, aber
die Organisation fehlt.

Matze Schmidt: Solange solche Texte im Netz, und zwar ohne
Micropayment, nicht zugaenglich sind, wird die Soziologie weiter
ihre Verstehensprobleme alleine waelzen. Man sollte auch an dieser
Stelle die vielleicht mittlerweile klischeehafte Frage stellen,
warum das Buch nicht auch zum Download angeboten wird, unentgeltlich!
Ob Vermittlungsversuche, zum Beispiel per Theater, wie fuer _La misère
du monde_ geschehen, noch dazu mit Musik von Bach, jemanden erreichen,
mag dahingestellt sein. Wenn Rimini Protokoll uebernimmt und die Rede
ueber Verwertung inszeniert, muss das kein schlechter Ansatz sein. Ich
sehe da aber leider nur das schlechte Gewissen der "wissenden Klasse",
die damit ihre eigene Klasse gerade nicht bewusst an den Tag legen
will und sich stattdessen selbst die Ehre gibt.

Yelena Simc: Indem sie aesthetisches Zeug aus Realexistierendem
baut?

Matze Schmidt: Ja, das ist immer noch die Frage der Repraesentation.
Dass Theater sich in seinem Unbehagen dennoch gewissermassen outet,
zeigt zugleich die herrschende Hilfslosigkeit, welche Zweifel und
Trauer, aber nicht Programm in Szene setzt. Schau, die sich
klassenlos waehnt und doch Angestelltenlevel besitzt.

Yelena Simc: Bands wie Egotronic leisten das wahrscheinlich auch
nicht, eine Repraesentation der Verhaeltnisse.

Matze Schmidt: Ich denke, diese Bands und Banden dokumentieren ihr
Unbehagen, kokettieren mit Kommunismus, Sozialismus, koennen aber
ihren sozialen Abstand zur Lohnarbeit, zur Produktion nicht
kritikabel zeigen. Man bastelt dokumentarisch, Agitation ist
unmoeglich oder sofort wider ein roter Stern.

Yelena Simc: Obwohl sie doch ebenso prekaer leben -- das allerdings
unter ganz anderen Bedingungen, ungleichzusetzen mit der Fabrik.
Wird nicht auch im "halben Leben" Prekaritaet zu einer neuartigen
Herrschaftsform erklaert? Darin folgen Franz Schultheis und die
anderen wiederum Pierre Bourdieu, der diese neue Unsicherheit im
Band _Gegenfeuer_, auch unter anderen von Schultheis herausgegeben,
so fuer diesen "neuen Geist des Kapitalismus" -- ein anderes Zitat,
diesmal von Luc Boltanski -- definiert. Es tauchen Begrifflichkeiten
auf wie "kognitive Dissonanz", fuer gegen die Ausbeutung
widerstaendige Verhaltensweisen, und noch einmal jetzt, der Anspruch
der Autoren, "bottom up" zu agieren. Ich sehe darin einige
Widerspruechlichkeiten.
Oder ist es einfach nur der Jargon, der manifestiert, wie
geschichtslos und kontextlos die Sicht aufs Soziale seitens der
Soziologen ist? Der angeblich neue Geist, der neo-liberal heisst,
kann doch sehr einfach als der alte identifiziert werden, da
Kapitalien immer um die Maiximierung von Profit bemueht sein mussten
und muessen, ganz wie vor hundert Jahren auch. Zwar kann man sagen,
dass die Nachkriegszeit einen, selbstverstaendlich falschen
Klassenkompromiss zeitigte und damit Kapitalismus irgendwie,
zumindest im Westen, humaner aussah, das aber eine Analyse,
orientiert an einer Ethik darstellt. Wenn sich die Lebens- und
Arbeitsbedingungen mit steigenden Loehnen und stetig gesteigerter
Produktivitaet auch verbesserten, so sind doch die Grundbedigungen,
die Konditionen der Produktionsweise keine anderen geworden, nur weil
es eine Phase des vermeintlich allgemeinen Wohlstands gab.

Matze Schmidt: Und auch die Sicht des ideologischen "Geistes", des
neuen, ist bereits problematisch, da die Triebe im System nicht allein
Bewusstheitsgrad besitzen, so als waere das alles nur der boese
Wille arroganter Multis, haette man frueher gesagt, oder
die Zerstoerungswut und der Technologiewahn transnationaler
Unternehmen. So, als koenne die kapitalistische Welt doch auch
wieder gerecht sein.

Yelena Simc: Da schwingt einiges an Nostalgie mit. Die geradezu
ueberbildhafte Vorstellung, es gaebe eine Flugbahn des Individuums
durch die Verhaeltnisse, die man nachvollziehen koenne, klingt wie
eine poetisierte quantitative Wissenschaftsmethodik, die nun
qualitativ geworden ist, und der nichts anders bleibt als
deskriptiv fast-romantisch zu reden.

Matze Schmidt: Diese von-unten-Haltung finde ich aber auch
symphatisch, da sie zumindest zeigt wie anti-kapitalistisch man
sein moechte. Das ist meines erachtens als Signal zu werten, wie
weit man innerhalb einer gesellschaftlichen Positionierung auf der
sozilogischen Seite bereit sein koennte zu gehen.

Yelena Simc: Gut, da koennte man diesen Satz mal auseinandernehmen,
um zu sehen, wie was getarnt oder verzerrt wird. Ich zitiere die
Herausgeber aus ihrer Einfuehrung, die Herleitung und ihres Credo
und seine ethologische Bestimmung, wenn man so will -- es geht
nochmal um das Verstehen oder die Verstehensleistung der Soziologie:
"Nachvollzug der Gruende ihres 'Andersseins'," das bedeutet der
anderen Person, die nicht Soziologie betreibt, demnach lohnarbeitet,
"angelegt im Ensemble der mit ihrem im Sozialraum eingenommenen Ort
und der dort hinfuehrenden Flugbahn verknuepften gesellschaftlichen
Bedingungen und Bestimmungen." Die Autoren sehen darin einen Akt der
Solidaritaet.

Matze Schmidt: Genaugenommen sehen sie darin eine (Zitat): "Quelle
gesellschaftlicher Solidaritaet". Das ist vom Akt zu unterscheiden.
Mehr als Studien kann Wissenschaft auf diese Weise wohl ersteinmal
nicht bereitstellen.

Yelena Simc: Aber die Bedingungen und Bestimmungen als Ensemble
erinnert an den staedteplanerischen Gestus in der Sprache der
Historiker, der Kunsthistoriker. Ein objektives Zusammenspiel von
Kraeften wird mehr als unbestimmt gelassen und wie ein neutrales
Zusammenwirken gedacht, wobei das Wort Gesamtheit vermieden bleibt.
Das wirkt abstrakt und tut keinem weh. Die portraetartigen oder
selbstprotraetartigen Interviews sind da etwas krasser.
Klassenanalyse ist das aber sicher noch nicht.

Matze Schmidt: Sehe ich aehnlich. Bleiben noch die bibliografischen
Angaben: Das Buch _Ein halbes Leben: Biografische Zeugnisse aus
einer Arbeitswelt im Umbruch_, herausgegeben von Franz Schultheis,
Berthold Vogel und Michael Gemperle, ist erschienen bei der
UVK Verlagsgesellschaft in Konstanz und kostet 39,90 deutsche Euro
Es enthaelt 37 Interviews mit Lohn- beziehungsweise Gehaltabhaengigen
aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Auf der Webseite des
Universitaetsverlags Konstanz www.uvk.de/buch.asp?ISBN=9783867642446
gibt es eine Leseprobe und einen Link zu einer vollstaendigen aber
kostenpflichtigen Onlineversion.

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2.

Rezension von Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot_ 46


Anmerkung: Die Zitierung setzt Anfuehrungszeichen an den Anfang und
das Ende des Zitats. Die bereits im Originaltext gesetzten
doppelten Anfuehrungszeichen (") werden der redaktionellen
Faulheit wegen nicht durch einfache (') ersetzt. Daher kann ein Zitat
folgendermaszen aussehen: ""Wesen des Menschen"". Zitierte man immer
weiter in weitere Originaltexte zurueck- bzw. vorgehend, koennten auf
diese Weise auch Monster aus geschachtelten Zitaten wie etwa
""Wesen des "kapitalistischen" Menschen"" entstehen. Zeichensetzung
und Form/Inhalt bedingen so einen irgendwann surrealistische
Dimensionen. Siehe auch "Rezension von Sabine Nuss. _Copyright &
Copyriot_ 1" (n0name newsletter #95), wo von einer Hierarchie der
Zeichen die Rede war:

"Das Copyright-Zeichen erscheint als das einzige sakrosankte Zeichen.
Es kann nicht mit einem Copyright belegt werden, da es selbst
universal symbolische Funktion fuer alle Copyrights und Urheberrechte
uebernimmt." (http://www.n0name.de/news/news95.txt)

Ist es ein Glueck, dass der Smiley "Allgemeingut" bleibt, weil das
Patentamt 2008 den Antrag des Managers Oleg Teterin ablehnte, das
Symbol, zum Beispiel mit der Zeichenfolge ;-) , als Warenzeichen
eintragen zu lassen? Warum gilt dann der markenrechtliche Schutz fuer
Zeichenfolgen wie (Zitat) "Nike"?
Diese Ebene der Kritik muesste, um den unter dem Schutz des
Nationalstaates stehenden Zeichenverkehr, der diesen von den
irrsten Blockaden freihaelt, verstehen zu koennen eine allgemeine
Theorie der Ware der Zeichen ansetzen. Was bestimmt denn die
_differentia specifica_ einer Folge von Zeichen im Gegensatz oder
Vergleich zu einer anderen Folge von Zeichen? Wenn die Gerichte die
eine frei halten, um den Warenverkehr ueberhaupt zu gewaehrleisten
-- waeren alle moeglichen Zeichenfolgen markenverrechtlicht, waere
der Handel mit Zeichen nicht mehr moeglich oder stuende zumindest
unter staendigem Zoll und der Warencharakter der Symbole selbst
gefaehrdet -- und die andere Zeichenfolge aber privatisiert, dann
wird der oeffentliche Charakter des Privateigentums offensichtlich.
Bis in die kleinsten Zeichen ueber Zeichen hinein (Zeichen ueber
Zeichen erlaeutern die Funktion von Zeichen, etwa das (c), oder
das ") wirkt dieser fuer die Bildung von Kapital noetige Privatismus.

Ferruccio Rossi-Landi versuchte Kapital und Privateigentum in der
Sprache zu behandeln und verallgemeinerte dabei den Tausch-Wert. Er
zog, wie knapp 40 Jahre spaeter spaeter Hartmut Winkler (siehe
sein Buch _Diskursoekonomie_, 2004) den Wert einer Ware, seine
Entstehung auf die Tausch-Seite, hier das hergestellte Wort,
beziehungsweise auf die Konsumentenseite, womit dieser Wert rein
relational wurde. Warum, weil die Produktion der Zeichen so abstrakt
und immateriell erscheint? Der Wert eines Zeichens kann nach
Rossi-Landi nur vom Tauschwert her bestimmt werden. Er wird demnach
nicht in der Warenproduktion bestimmt. Rossi-Landi, obwohl sich in
seinem Artikel "Kapital und Privateigentum in der Sprache"
(_Aesthetik und Kommunikation, Maerz 1972) S. 36) dessen noch
bewusst, dass auch die Sprache in menschlicher Arbeit ensteht,
spricht dann von einem sprachlichen Gesamtkapital und, dass "die
herrschende Klasse das Privateigentum an der Sprache ausuebt".
Dennoch, warum muss der Sprache und einem seiner Medien, eine
besondere Stellung zukommen, welche es als besonderes Kapital neben
dem Geld- und Bodenbesitz- und dem industriellen Kapital -- das
alles sind bereits Verhaeltnisse und keine Substanzen --
auszeichnet? Und warum ist Sprache, mit allen seinen Codes,
Codierungsfunktionen, Zeichen- und Symbolebenen, dann auch noch
eine besondere Ware, deren Wert erst und nur in der Konsumption
entstuende? Weil fuer die Sprache Produktion und Konsumption eins,
also untrennbare Vorgaenge sind?

Nochmal tief in die Tasche gegriffen:

"Der kapitalistische Produktionsprozess bzw. das kapitalistische
Privateigentum trennt den Menschen aber von der Natur. Die Dinge,
die der Arbeiter produziert, schafft er nicht für sich und seinen
Bedarf, sondern für den Kapitalisten, den Privateigentümer der
Produktionsbedingungen."

Das kann nach Marx und Engels, hier folgt Nuss den beiden im Stil
der Theoretikerin, die zitiert aber nicht Stellung bezieht, dass das
Wesen des Menschen aus den Verhaeltnissen 'gemacht' ist, die
geschichtsam sind und daher veraenderbar. Bei Schneefall sieht man
ein spurenhaftes simples Abbild dieser Formen des Verkehrs der
Besitzverhaeltnisse IM Verkehr verkehrt: Die Schneeraeumungsmaschine
macht immer genau da halt, wo nicht bezahlt wurde und die Leute
selber raeumen muessen.

"Menschen". Demnach sei dies eine Verselbständigung und unzulässige
Verallge-meinerung von Vorstellungen über den Menschen, die erst aus
einer bestimmten Gesellschaft mit einer spezifischen Produktions- und
Verkehrsform resultieren: „Diese Summe von Produktionskräften,
Kapitalien und sozialen Verkehrsformen, die jedes Individuum und jede
Generation als etwas Gegebenes vorfindet, ist der reale Grund dessen,
was sich die Philosophen als `Substanz' und `Wesen des Menschen'
vorgestellt, was sie apotheosiert und bekämpft haben" (Marx/Engels
1845/46, 1969: 38). Die Wesensbestimmungen der Menschen sind
demgegenüber aber selbst Produkte bestimmter gesellschaftlicher
Verhältnisse,2 sie können diese Verhältnisse nicht als
„Objektivierung" des Wesens erklären.
Unabhängig davon, ob Marx nun von einem Menschenbild ausgeht oder
nicht, seine frühe Eigentumskonzeption spielt in den späteren
Schriften und vor allem im „Kapital" keine Rolle mehr. So spricht Marx
in den „ökonomisch-philosophi-schen Manuskripten" noch davon, das
„allgemeine Wesen des Privateigentums, wie es sich als Resultat der
entfremdeten Arbeit ergeben hat, in seinem Verhältnis zum wahrhaft
menschlichen und sozialen Eigentum zu bestimmen" (Marx 1844, 1977:
521). Selbstkritisch bemerkt er später, dass die von ihm ehemals
vertretene These von einem „wahren Eigentum" das bisherige wirkliche
Privateigentum nur als Schein fasse und die aus diesem wirklichen
Eigentum abstrahierte Vorstellung als Wahrheit und Wirklichkeit
dieses Scheins, sie ist „also durch und durch ide-ologisch"
(Marx/Engels 1845/46, 1969: 457).3
Auch beim Marxschen „Kapital" gibt es erhebliche
Interpretationsunterschiede. In der Literatur gibt es bereits
divergierende Meinungen darüber, worauf die Marx'sche Analyse abzielt,
so wird das „Kapital" beispielsweise mitunter verstan-den als Analyse
des Kapitalismus des 19. Jahrhunderts oder als Beschreibung der
historischen Entwicklung des Kapitalismus. In vorliegender Arbeit wird
dagegen die Auffassung vertreten, dass es sich um eine Analyse des
Kapitalismus in seinen wesentlichen Bestimmungen, die auch bei
historischen Veränderungen noch gel-
________________________
2 In der sechsten der Feuerbachthesen formuliert Marx die Kritik an
der wesensphiloso-phischen Konzeption folgendermaßen: „Feuerbach
löst das religiöse Wesen in das menschliche Wesen auf. Aber das
menschliche Wesen ist kein dem einzelnen Individu-um innewohnendes
Abstraktum. In seiner Wirklichkeit ist es das Ensemble der gesell-
schaftlichen Verhältnisse" (Marx/Engels 1845/46, 1969: 5-7).
3 Im Vorwort zur „Kritik der Politischen Ökonomie" von 1859 schreibt
Marx in der Retrospektive schließlich über sein und Friedrich
Engels Ansinnen, welches sie mit der Deutschen Ideologie verfolgten:
„(...) beschlossen wir, den Gegensatz unserer Ansicht gegen die
ideologische der Deutschen Philosophie gemeinschaftlich
auszuarbeiten, in der That mit unserm ehemaligen philosophischen
Gewissen abzurechnen" (Marx 1857, 1961b: 10).

156"

ten, handelt. Es geht daher nicht um Kapitalismus einer spezifischen
Phase oder eines bestimmten Landes, sondern es geht um, wie Marx es
selbst geschrieben hat, „die innere Organisation der kapitalistischen
Produktionsweise, sozusagen in ihrem idealen Durchschnitt" (Marx 1894,
1973: 839). Dabei steht die in der bür-gerlichen Ökonomie und im
Alltagsverstand anzufindende Anschauung der kapi-talistischen
Vergesellschaftung im Focus, was bereits am Untertitel des „Kapital":
„Kritik der Politischen Ökonomie" zum Ausdruck kommt. In einem Brief
an Lassalle macht Marx das folgend deutlich:

„Die Arbeit, um die es sich beim `Kapital' zunächst handelt, ist
Kritik der ökonomischen Kategorien oder, if you like, das System der
bürgerlichen Ökonomie kritisch dargestellt. Es ist zugleich
Darstellung des Systems und durch die Darstellung Kritik desselben"
(Marx 1858, 1963: 550).

Allerdings ging es Marx dabei nicht um bestimmte theorieimmanente
Ungereimt-heiten oder Widersprüche, sondern es ging vielmehr um eine
Kritik des zugrunde liegenden Paradigmas bzw. der theoretischen
Vorannahmen, welche der Politischen Ökonomie stillschweigend
vorausgesetzt sind (vgl. dazu ausführlich Heinrich 2004).
In diesem Kontext kann auch Marx' Eigentumskonzeption begriffen
werden. Marx untersucht nicht das bürgerliche oder kapitalistische
Privateigentum direkt, sondern über einen Umweg: Er liefert eine
Eigentumskonzeption, indem er kriti-siert, wie das bürgerliche
Privateigentum in der Politischen Ökonomie und im bürgerlichen
Alltagsverstand vorkommt. Den entscheidenden Punkt seiner solcher-
maßen verfassten Eigentumsanalyse macht Marx im „Kapital" unter dem
Titel „Umschlag der Aneignungsgesetze" (Marx 1867, 1989: 605) und
etwas ausführli-cher im Urtext von 1858 „Erscheinung des
Appropriationsgesetzes in der einfa-chen Cirkulation" (Marx 1858,
1980: 47) deutlich. Im Mittelpunkt steht hier die Dekonstruktion
der seit Locke üblichen rechtsphilosophischen Legitimation des
Eigentums durch Arbeit, das heißt die bürgerliche Arbeitstheorie
des Eigentums (s.o.). Nach Marx ist dieses Theorem, wonach Arbeit
das Recht auf Eigentum begründe bzw. Eigentum auf eigener Arbeit
beruhe, auch in der ökonomischen Theorie und dem bürgerlichen
Alltagsverstand nicht widerspruchsfrei, „da bei Betrachtung
concreterer ökonomischer Verhältnisse als die einfache Circulation
sie darstellt, widersprechende Gesetze sich zu ergeben scheinen
(Marx 1858, 1980: 49). Dass Arbeit Eigentum begründet, gilt dem
bürgerlichen Alltagsverstand aber dennoch als Norm, als
„allgemeines Gesetz" (Marx 1858, 1980: 49). Dies, so Marx, ist
aber ein Schein, der sich der Perspektive der einfachen
Zirkulation verdankt. Als „einfache Zirkulation" bezeichnet Marx
den Tausch von Ware gegen Geld, als allgemeine Form der
Vermittlung des gesellschaftlichen Stoffwechsels, wobei von dem
zugrunde liegenden Prozess der kapitalistischen Produktion noch
abs-trahiert wird.

157"

Die Konzeption der Sprache bei Rossi-Landi, als erst im Tausch
enstehende Ware, scheint der einfachen Zirkulation geschuldet zu
sein. Und so kann er seinen universitaeren Kredit auch nur in der
Sprache zurueckzahlen, die im Gebrauch die Produktion von Wert
sieht, Sprache nur in einer Sprache sieht, die literarisch und
sinnhaft sei. Wobei sie doch nicht nur in Codes und Kanaelen
existiert, man denke an das gesamte "Bildungswesen". Obwohl
Rossi-Landi weiss und sagt, dass die Produktion dem Konsum
vorausgeht, Beamer, Druckereien, Monitore, Computerchips,
Tastaturen, Software, Kaffee, Bibliotheken, Heizung, kann die
Sprache fuer ihn nur mit Kategorien des Oekonomischen _verglichen_
werden, nimmt die Sprache einen Extraraum ein. Wozu diese
Konstruktion einer Kategorie wie "sprachliches Geld"? Was eroeffnet
sie zum Verstaendnis der 'Kapitalisierung' von Kommunikation? Wenn
Rossi-Landi eine Homologie behauptet, die sich im Vergleich von
Geld und Sprache auftue, also Sprache (bei ihm im Vergleich zu den
Einheiten des Geldes verkuerzt auf Woerter) ein universales
Aequivalent als Wort sei, das in der Kommunikation mit allen anderen
Wortfolgen tauschbar waere, verpasst er zu sagen, dass es das noch
'universellere' allgemeine Aequivalent gibt, das Geld mit dem sich
jedes Wort kaufen laesst. Die Produktionsseite wird aber dabei
laengst verlassen.

Susi Meyer/Ali Emas/Matze Schmidt

Sabine Nuss. _Copyright & Copyriot: Aneignungskonflikte um geistiges
Eigentum im informationellen Kapitalismus_. Muenster: Westfaelisches
Dampfboot, 2006. 269 S. - EURO 19,90. Erschienen: Oktober 2006

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