Einträge vom Sonntag, 07. Mai 2006
Received 07. 05. 2006 12:44 from
serverfestival2006 - die kunst verlassen - Band III
cut&paste, band 3:
KUNST VERLASSEN: Deserteure und Zweifler, Verweigerer und
Sehnsüchtige, vergebliche Revoluzzer, politische Wesen. In ihren
Haltungen und Handlungen formulierten und lebten sie eine radikale
Infragestellung ihrer Rolle als KünstlerIn. Was sie mit ihren Gesten
zum Verschwinden brachten, war das Vertrauen in künstlerisches
Schaffen und die Hoffnung auf das Gelingen künstlerischer
Kreativität. Eine kleine, sentimentale Avantgarde, die sich – auf
jeweils sehr spezifische Art - von einer Kunstwelt verabschiedete,
die offensichtlich jede Hoffnung auf Erfüllung ihrer „masslosen
Bedürfnisse“ (Cravan) längst lächerlich erscheinen liess.
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Was alle angeführten Beispiele verbindet, kann vielleicht paradox
formuliert werden mit dem Satz: In und mit der Kunst die Kunst
verlassen. Die Kunst wird in gewisser Hinsicht an ein Ende oder - je
nach Perspektive - einen Anfang geführt, den Rahmen, der sie zur
Kunst werden ließ. Dieser Gang wäre aber nicht von einer
dilettantischen, einfach nur schlampig gemachten Theater- oder
Konzeptkunstpraxis unterscheidbar, wäre er nicht selbst an ein
Regelwerk gebunden.
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Und das obwohl der Krieg, der hier erklärt wird, der Bewegung der
modernen Kunst immer schon eingeschrieben ist: das radikal Neue und
damit das radikal Individuelle fordernd, entsteht sie ständig in
Kritik und Verneinung der etablierten Formen der gesellschaftlichen
Kommunikation und ist damit, im Gegensatz zu anderen Formen der Kunst
grundsätzlich anti-sozial.
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Mach' revolutionäre Kunst, aber mach' Kunst,
trage die Revolution nicht ins Leben, wo man dich dafür umbringt.
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Die Kunstpolitik bildete von Beginn an einen wesentlichen Teil der
gesamten politischen Arbeit der Nationalsozialisten, was allein die
Tatsache zeigt, dass das erste grössere Bauvorhaben die Errichtung
des "Hauses der Deutschen Kunst" in München war. In diesem Rahmen
stellte die Gründung der "Nationalsozialistischen Gesellschaft für
deutsche Kultur" im August 1927 durch Alfred Rosenberg - sie wurde
1928/29 in den "Kampfbund für deutsche Kultur" umgewandelt - den
Beginn organisierter nationalsozialistischer Kulturarbeit dar. Ziel
der Organisation war es, "alle Abwehrkräfte gegen die heute
herrschenden Mächte der Zersetzung" zu sammeln und das deutsche Volk
über "die Zusammenhänge zwischen Rasse, Kunst, Wissenschaft,
sittlichen und soldatischen Werten" aufzuklären.
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Allen gemeinsam war auch die Vorstellung einer repräsentativen Kunst,
die quasi ein Indiz für die kulturelle Homogenität darstellt und
diese zum Ausdruck bringen soll. Die Ideologisierung der Kunst
entwickelt Identifikationsmuster für alle Bevölkerungsschichten und
wird zu einem zentralen Bereich jener symbolischen Ordnung, die die
Nationalsozialisten zu errichten trachteten.
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Kultur oder stilisierte Barbarei - Spätestens seit der vorletzten,
von Catherine David kuratierten Documenta 1987, ist die Rede von
einer Repolitisierung der Kunst in aller Munde. Passend dazu sprechen
Theoretiker, wie Ulrich Beck oder Zygmunt Baumann, von einer
Kulturalisierung der Gesellschaft oder sogar einer ästhetischen
Ökonomie. Gemeint ist damit weniger der überproportionale Zuwachs von
in Kulturberufen tätigen Menschen oder der boomende Kunstmarkt, als
vielmehr der Vorrang des Imaginativen und der kultureller
Deutungsmuster. Auch die Politik widmet sich verstärkt Kunst und
Kultur und hat 2003 eine von allen Fraktionen übereinstimmend
getragene Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ eingesetzt. Was
erhofft sich Politik nun davon, Kultur als Staatsaufgabe zu
definieren, die Förderung von Kunst und Kultur zum gesellschaftlichen
Anliegen aller zu erklären und deren Bedeutung herauszustreichen? Die
missliche soziale Lage vieler Künstlerinnen und Künstler, ihre
schlechte Ausbildungssituation ist seit langem ein Skandal – aber
warum nimmt man sich ihrer gerade in Hartz-IV-Zeiten an, wenn neben
den Künstlern auch andere Berufsgruppen und Individuen durch alle
sozialen Netze zu fallen drohen?
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Received 07. 05. 2006 12:28 from
serverfestival2006 - die kunst verlassen - Band II
cut&paste, band 2:
organisierung:
jede organisierung, ob das nun gewerkschaftlich ist oder ein
sportverein hat
das problem, dass es einen interessensgegensatz von allgemeinem und
einzelinteresse gibt. das meine ich zunächst einmal strukturell. In
sportvereinen ist das kein problem, denn die unterordnung unter das
gemeinsame interesse ist hier grund des eintritts. Das gilt für die
stalinisten unter den politischen gruppen auch und tendenziell für die
meisten parteiförmig organisierten politischen zusammenhänge. Umso
weiter
man ins linke spektrum kommt wird diese klare hierarchie von intdirekter
hierarchie unterfüttert oder durch sie ersetzt. Von linksruck bis alb
wird
die offene hierarchie durch soziale ergänzt: expertentum als
naheliegendstes und die ausprägung interner herrschaftstrukturen und
zirkel
als häufigstes. Die frage ist hier weniger ob solche strukturen
exisiteren
sondern inwiefern man sie zum gegenstand macht oder sich ihnen
unterwirft.
bei mir gilt zB das ich mich mit den internen hierarchien autonomer
gruppen
‚gern’ auseinandersetze, weil ich den politischen zweck sehe und
versuchen
um diese strukturen oder mit ihnen zu arbeiten, dass aber (wie beim
esf oder
attack) ein kollektivinteresse das darin besteht kein gemeinsamen
zweck zu
setzen und unverbindlich inhomogen zu sein für mich untragbar ist, da
dieses
kollektivinteresse im krassen gegensatz zu meinem einzelinteresse an
radikaler gesellschaftlicher veränderung steht.
das hat auswirkungen darauf, wie man informationspolitik betreibt,
wie man
nach aussen tritt und wie sich debatten organisieren. zb kann ja
jeder für
sich sprechen ohne das die homogenität einer gruppe in frage steht – es
können sich lediglich reibungspunkte bilden. aber da die in der
auseinandersetzung entstehen ist dies kein problem. es kommt also wenig
darauf an ob man die eigene gruppe als homogen definiert, sondern eher
darauf, wie hart und homogen man das aussen (gegen das es geschlossen
aufzutreten gilt) bestimmt. Gilt es nach aussen homogen aufzutreten?
Oder
ist es produktiver als zusammenhang aufzutreten der durch ein
interesse (und
vielleicht eine kritik) bestimmt ist.
weniger kryptisch: es bleibt bei der alten frage nach reform oder
revolution
und obwohl die revolution sich heute ständig im antagonismus befindet
hat
meines erachtens die reform weiterhin nichts auf ihrer seite.
a) interesse: wie stellt sich die frage reform oder revolution
innerhalb
der künstlerischen praxis?
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Ich würde eher zur kritik künstlerischer Subjektivität tendieren.
„Künstler“ (bzw. ihre moderne Romantisierung) sind doch begründet als
Avantgarde der Individualisierung zu sehen, nicht nur weil ihre
angebliche 'freiheit von der mehrwertproduktion im laufe der
postfordistischen produktion zum stereotyp der allgemeine produktion
ausgeweitet wurde', sondern auch weil Künstler in ihrer
(Selbst)Produktion, als singuläre Autoren, (urheber)rechtlich
festgeschrieben, Autonom sind. Hier ist der Preis der angeblichen
'Freiheit von der Mehrwertproduktion' doch die Endsozialisierung, das
bei-sich-selber-angestellt-sein, das profetischistische zur Ware werden
und direkt den Marktzwängen ausgeliefert sein. Eine kritik am Autonomen
Subjekt, welches im Zentrum des Neoliberalen Diskurses steht, schließt
doch eine Kritik am Künstlersubjekt mit ein!?
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eine revolutionäre praxis müsste bestandteil der künstlerischen
praxis sein. ohne diese koppelung kommt nur murks raus. das
kunstgeschehen der jüngsten zeit ist voll mit künstlerischen
attituden, die zu nichts führen, da von einer revolutionären praxis
losgelöst.
mittlerweile bezweifle ich auch den nutzen, eine kritische
(revolutionäre?) praxis/haltung in das kunstsytem einführen zu
wollen. dieses vereinnahmt lediglich diese anstrengungen und dreht
sie gegen die protagonisten.
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zu künstlerischer produktion zwischen reform und revolution
diese gegenüberstellung stellt sich ja allgemein als eine frage der
produktion – und der sich verändernden rolle der kusnt darin.
mehrwertschöpfende produktion ist selbst politische praxis, da der
arbeitskampf in diesem gebiet produktionsstop und gefährdung des
nationalen
oder europäischen bruttosozialproduktes bedeutet. Daher waren die
arbeiter
im klassischen marxismus ja auch immer objekt der agitation – leider
nicht
subjekt der agitation und daher löste sich ihr status der
abhängigkeit nie
auf (das hat sich im postfordismus stark gewandelt, s.u.).
arbeiterkämpfe
sind kämpfe um die reproduktion der gesellschaft also wäre die frage
revolutionärer künstlerischer produktion diejenige daran wo sie
möglichst
direkt in die reproduktion der gesellschaft eingreifen kann.
Das kann die nur immanent „kritische“ kunst nicht – also die kunst die
selbst kunst bleiben will – genauso wie der arbeiter der arbeiter
bleiben
wollte nie revolutionär war (trotzki) – denn dann bleibt sie
repräsentativ.
boris arvatov bemerkt dazu ganz fein, dass kunst bürgerlich ist und nur
vorstellungen von dingen, keine dinge produziert und wirft das noch
teilen
der konstruktivisten vor. Ein gegenbeispiel, eine produktion von dingen
statt von ihrer vorstellung wäre vladimir tatlin – aber was tun ohne
revolutionäres umfeld heute? Konzeptkunst wie auch institutionskritik
haben
versucht hierauf zu reagieren indem sie die dinge fast vollständig
aus ihrer
produktion verbannt haben. Damit haben sie sich selbst allerdings in den
meisten fällen auch in den kunstkontext eingeschlossen, also
ausbruchsversuche erschwert (B.Buchloh).
als bsp. der institutionskritik:
Warum sollte man seine künstlerische produktion dem kusntsystem
verschreiben, das es (mit der trennung von geistiger und körperlicher
arbeit
also auch der von künstlerischer und anderer produktion) doch
abzuschaffen
gälte. Hier gibt es ja durchaus auch radikalere ansätze (chtodelat).
Künstlerische als revolutionäre praxis hat das problem, dass der
kusnt-streik (stewart home) nur als kritik an der kusnt selbst,
niocht als
eine an der produktion überhaupt wirkungsmächtig ist. Die kritik belibt
symbolisch, bleibt vorstellung. Steward homes praxis finde ich hier
allerdings ein positives beispiel, denn er arbeitet oft an genau den
grenzen
der impotenz der kunst
Diese impotenz der kunst hat sich inzwischen allerdings auch auf andere
bereiche der produktion gelegt. Unter dem namen postfordismus hat
sich der
arbeiterkampf von seinen direkten politischen implikationen
verabschiedet.
Durhc merhfachbeschäftigung und projektbezogene anstellungen wird die
politische solidarisierung von den konketen produktionsbedingungen
abgelöst
und individualisiert. Das was also systematisch die küsntlerische
produktion
ausmacht, macht sich in der gesamtproduktion breit. Es wird schwerer
von der
produktion in die politik durchzubrechen. Bsp. in turin blockierten
arbeiter
in den 80ern die fabriken, stoppten die produktion - heute stehen
disobitienti im supermarkt und fordern rabatte. Das ist schon
deprimierend.
ähnlich sieht es aus mit dem wechsel von der revolution zum
existenzgeld.
...
Dabei ist das künstlersubjekt systematisch - oder vielmehr ideel –
natürlich das der aufklärung, das romantische subjekt, voll von welt
und vor
allem von sich. Material realisiert sich das voll von sich stetig –
aber zur
emphatischen subjektivität würde ja solidarität gehören, die
möglichkeit zur
kollektivität ohne identitäsverlust. Daher ist die frage des
subjektbegriffes interessant: ich glaube nicht, dass wir noch vom
subjekt
der avant-garden reden, sondern von einem subjekt das seinem unbewussten
mehr trauen kann als seinem bewussten.
Urheberrecht ist hier, gerade in deutschland und frankreich ein
interessanter punkt es bildete sich erst sehr spät in deutschland aus
– erst
mit dem werkbund nach 1906 – (Molly nesbit – what was an author,
frederick
schwartz – the werkbund) und bestand in diesem gerade im kampf des
künstlerbildes. Auf der einen seite standen die verfechter der
romantischen
individualität auf der anderen seite die der typisierung. Beides
scheiterte
– das romantische subjekt wurde trademark (bestes beispiel der
gerichtliche
kamp um den breuer-stuhl) und die typisierung hatte zwar einen
revolutionären ansatz aber eine typisierung ist nur revolutionäre
ausserhalb
der kapitalistischen produktion – innerhalb von ihr wird sie zum
emblem, zur
trademark.