Einträge vom Mittwoch, 10. August 2011

[thing-group] Received 10. 08. 2011 21:30 from

Re: Künstlerökonomien 1

Hallo miteinander,

ein alte Diskussion neu aufgenommen, aber immer noch interessant , wie es scheint.


1. So habe ich schon öfters versucht zu erklären, das der "Armutsbegriff" in unserer, einseitig auf (Kapital-)Verwertung und sinnverzerrter "Ökonomie" ausgerichteten Wirtschaftsgesellschaft, inder Hauptsache nur dazu dient, eine Standardformel zu setzen, die alle (Menschen) darin von dieser Gesellschaft ausschließt, die diesen einseitigen, vorgefertigen und undemokratisch beschlossenen Vorgaben nicht entsprechend agieren, funktionieren oder sich jenen sonstwie nicht in Unterordnung anpassen.

2. Die Freiheit des freischaffenden Künstlers ist für mich als positiver Ansatz eine der wenigen Möglichkeiten, sich weitgehend von dieser Verwertungsordnung zu distanzieren und auch als "Dissident" darin freier zu agieren:
(was aber sicher nur einige entsprechend umzusetzen "vermögen",..)



3. Wer sich dem eindimensionalen, reduzierenden Diktat der (Markt-) Wirtschaftsgesellschaft nicht unterwirft, (es gibt viel alternative, weitergehende Möglichkeiten von Autonomie, Autarkie und Subsistenz, die das ermöglichen...etc.)
muss sich auch nicht entsprechend jener monolitisch, täglich in allen Medien postulierten Behauptung, als "arm" disqualifizieren lassen und alle sein Streben, Tun und dessen Bewertung nur an Konsum und Warenerwerb wie entsprechender marktökonomischer Wertschätzung ausrichten lassen.



4. "Kunst" (deren multiplen Bereiche zu definieren wäre, insgesamt aber das freie nicht der Fremd-Verwertung untergeordnete "Leben" mit einschießt) nützt der entsprechenden Gesellschaft zumeist in weiten Segmenten und sei es als Negativbeispiel, um daran diverse Paradigmen entsprechend aufzuzäumen:
( Und sei es nur entsprechend wie im Begriff der "Arbeitslosigkeit", diese Position entsprechendals:
Renitenz, Leistungsunwille, Unagepastheit, etc. zu stigmatisieren)

Grundsätzlich ist von einigen, das Thema durchdringenden Denkern (etwa P. Feyerabend, Bloch, Marcuse) als relativ klar und verständlich erläutert worden, das Kunst (und Wissenschaft) nicht nur lapidar unterschwellig beliebige, sondern grundsätzlich real konstituierende Haupt-Elemente unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens sind und in weiten Bereich dessen Form, Inhalt, Ausrichtung, Farbe, Geschmack, Sinnfähigkeit und Wahrnehmung bestimmen.
Also dieses gesellschaftlichen, humane Leben nicht oder nur als untergeordnetem Faktor, von der aufteilenden und sortierenden Verwertungs-gesellschaftlichen Ökonomie bestimmt wird
(deren Begrifflichkeit zudem äußerst diskutabel und vage angelegt ist) :



5. Es findet unterschwellig, kaum beachtet und in dieser Form nicht wahrgenommen, völlig ausgeblendet und selten benannt, ohne unsere direkte und erwünschte Beteiligung, ein absoluter Krieg der Wertmaßstäbe statt..
(ein Krieg der Begriffe und Defintionen, der beinahe verloren ist, zu Ungunsten der "Kunst" und der darin um/beschriebenen, unbeschwerteren, freien, schöpferischen, menschlichen Betätigungen,..)

Es geht in diesem Krieg um die entsprechende machtvoll erkämpfte Deutungshoheit in der Wahrnehmung der entsprechend human relevanten Betätigungs- und Sinnfindungsfelder, die als grundsätzlich sinnstiftend für das allgemeine, gesellschaftlich geordnete Zusammenleben anzusehen sind:

Wer sich der machtvoll proklamierten, herrschenden, nur an Wirtschaft ausgerichteten Doktrien unterordnet und ihnen widerspruchslos vertraut, ist dadurch bereits in deren "goldenen" Käfig mit Laufrad gefangen, indem er/sie sich deren einseitiger Wertzuordnung und symbolischer Aufteilung in "arm/reich" unterwirft und weiterer Sinnsuche versagt. (Sinnsuche der "Gottsucherbande"´wie in ähnlichem Kontext etwa Bazon Brock betont)



6. "Die Kunst, die sich nützlich macht", ist das DESIGN (ursprünglich ein Zitat von Dieter Rams)
und deshalb in seiner allseits operierenden, marktwirtschaftlichen, an gängigen Verwertungspraktiken und Warenwirtschaftsproduktion ausgerichteten Funktion, genau das entsprechende "Kreativ Feld", welches sich willig und billigend dieser Herrschaft untergeordnet hat.



wie sagte Peter Kafka:
"Die Ausbeutung des Menschen verspricht naturgemäß den größten Profit - ein Maximum an Gewinn pro Zeiteinheit. Deshalb streben sowohl der Einzelne als auch die Gruppen nach Macht über andere Einzelne und Gruppen.".

"Die Front der Evolution muss von unseren ökonomisch-technischen zu unseren seelisch-geistigen Fähigkeiten verschoben werden. Die in der Tat notwendige Expansion muss nach innen gehen. Dort ist Raum für fast unendliches, vielfältiges, gemächliches Wachstum. Wir wollen nicht mehr Produktivität bewundern, sondern Kreativität, nicht mehr Macht, sondern Kunst. Wir wollen nicht so viel haben, sondern mehr sein."


Und einer der Autoren im www.fair.sozial.net meint dazu:

"Niemand kann reich werden, ohne das er von der Arbeitskraft anderer Menschen einseitig profitiert, d.h. einen Gewinn (Profit) zieht. Überall, wo "richtig Geld" verdient wird, arbeiten relativ ARME und unterbezahlte Menschen im Hintergrund, oder "hinter den Kulissen" - egal ob in der Wirtschaft, im Sport, in der Kunst, Unterhaltung, oder sonstwo."


und K. Marx sagte:


"Je mehr der Arbeiter (der Künstler) sich (fremd-) ausarbeitet, um so mächtiger wird die fremde, gegenständliche Welt, die er sich gegenüber schafft, um so ÄRMER wird er selbst, seine innere Welt, um so weniger gehört ihm zu eigen. Es ist ebenso in der Religion. Je mehr der Mensch in Gott setzt, je weniger behält er in sich selbst."
"Die Arbeit (die Kunst) produziert Wunderwerke für die Reichen, aber sie produziert Entblößung für den Arbeiter (Künstler). Sie produziert Paläste, aber Höhlen für den Arbeiter (Künstler). Sie produziert Schönheit, aber Verkrüppelung für den Arbeiter (Künstler). Sie ersetzt die Arbeit (Kunst) durch Maschinen, aber sie wirft einen Teil der Arbeiter (Künstler) zu einer barbarischen Arbeit (nicht anerkannten Kunst) zurück und macht den andren Teil zur Maschine. Sie produziert Geist, aber sie produziert Blödsinn, Kretinismus für den Arbeiter (Künstler)."

Leicht ist es, ohne den tieferen Sinn dieses Zitats zu verstellen, die "Arbeiter und die Arbeit" mit den Begriffen: "Künstler und Kunst" auszutauschen.








----- Original Message -----
From: Stefan Beck
To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot]0 de
Sent: Wednesday, August 10, 2011 3:41 PM
Subject: Re: [thing-frankfurt] Künstlerökonomien 1



Hallo Helge, hallo Stefan,

sicherlich, es ist die Freiheit des Künstlers zu bestimmen, wie er seine
Zeit einsetzt. Es gibt ja welche, die jahrelange nur Zahlen auf
Leinwände malen.

In dem von mir erwähnten Beispiel finde ich allerding das Verhältnis von
Aufwand und Nutzen unverhältnismässig.

Selbst, wenn man es, - wie es unser werter Brentis tut - als bewußte
Abkehr von der kapitalistischen Verwertungslogik interpretiert.

Ist nicht die Neigung der Kunst mit der eigenen Zeit verschwenderisch
umzugehen, auch schon innerhalb der kapitalistischen Ökonomie angesiedelt?

Die Kunst verkauft tatsächlich und ganz konkret Mythen. Und eine davon
ist, daß sie selbstlos und uneigenützig Dingen nachgeht, die an anderen
Stellen der Ökonomie nichts nutzen.

Wäre die Kunst nicht unabhängiger und schwerer zu vereinnahmen, wenn sie
sich nützlicher machte?

Höhere Wesen befehlen, Kontaktanzeige schalten!

> wie definiert man "arm" und "reich" ist allgemein eine interessante frage die diesem gedanken voraus geht.
> sehr spannend ist das angesprochene verhältnis von aufwand und möglichem nutzen.
>
> da ist der künstler und dessen haltung zu diesem verhältnis ein vorreiter, möglicherweise naiv für die einen, aber immer
> ein tick näher an der freiheit!
>

>
>
> Am 10.08.2011 um 07:33 schrieb Helge Steinmann:
>
>> hahaha, geil. Ist halt eine andere Art der Wertigkeit. Aber warum nicht? Ist ja die Freiheit der Wahl-the freedom of choice...lol. Aber die Freiheit des Künstlers ist ja eine Behauptung, die des Handelnden schon eher eine echte.
>> Greets Bomber
>>
>>

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[thing-group] Received 10. 08. 2011 15:41 from

Re: Künstlerökonomien 1

Hallo Helge, hallo Stefan,

sicherlich, es ist die Freiheit des Künstlers zu bestimmen, wie er seine
Zeit einsetzt. Es gibt ja welche, die jahrelange nur Zahlen auf
Leinwände malen.

In dem von mir erwähnten Beispiel finde ich allerding das Verhältnis von
Aufwand und Nutzen unverhältnismässig.

Selbst, wenn man es, - wie es unser werter Brentis tut - als bewußte
Abkehr von der kapitalistischen Verwertungslogik interpretiert.

Ist nicht die Neigung der Kunst mit der eigenen Zeit verschwenderisch
umzugehen, auch schon innerhalb der kapitalistischen Ökonomie angesiedelt?

Die Kunst verkauft tatsächlich und ganz konkret Mythen. Und eine davon
ist, daß sie selbstlos und uneigenützig Dingen nachgeht, die an anderen
Stellen der Ökonomie nichts nutzen.

Wäre die Kunst nicht unabhängiger und schwerer zu vereinnahmen, wenn sie
sich nützlicher machte?

Höhere Wesen befehlen, Kontaktanzeige schalten!


> wie definiert man "arm" und "reich" ist allgemein eine interessante frage die diesem gedanken voraus geht.
> sehr spannend ist das angesprochene verhältnis von aufwand und möglichem nutzen.
>
> da ist der künstler und dessen haltung zu diesem verhältnis ein vorreiter, möglicherweise naiv für die einen, aber immer
> ein tick näher an der freiheit!
>

>
>
> Am 10.08.2011 um 07:33 schrieb Helge Steinmann:
>
>> hahaha, geil. Ist halt eine andere Art der Wertigkeit. Aber warum nicht? Ist ja die Freiheit der Wahl-the freedom of choice...lol. Aber die Freiheit des Künstlers ist ja eine Behauptung, die des Handelnden schon eher eine echte.
>> Greets Bomber
>>
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[thing-group] Received 10. 08. 2011 09:42 from

Re: Künstlerökonomien 1

wie definiert man "arm" und "reich" ist allgemein eine interessante frage die diesem gedanken voraus geht.
sehr spannend ist das angesprochene verhältnis von aufwand und möglichem nutzen.

da ist der künstler und dessen haltung zu diesem verhältnis ein vorreiter, möglicherweise naiv für die einen, aber immer
ein tick näher an der freiheit!

grüße, stichler.
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Am 10.08.2011 um 07:33 schrieb Helge Steinmann:

> hahaha, geil. Ist halt eine andere Art der Wertigkeit. Aber warum nicht? Ist ja die Freiheit der Wahl-the freedom of choice...lol. Aber die Freiheit des Künstlers ist ja eine Behauptung, die des Handelnden schon eher eine echte.
> Greets Bomber
>
>
> Am 09.08.2011 um 14:41 schrieb Stefan Beck:
>
>> Ich les grad von Hans Abbing "Why are Artists poor?". Darin wundert er
>> sich, warum Künstler über lange Zeit für sehr wenig Geld arbeiten und
>> folgert, daß stattdessen für sie andere Formen der Anerkennung wichtig
>> sein müssen.
>>
>> Ein Beispiel dafür erhielt ich gestern im Gespräch mit einem Kollegen:
>>
>> "Es ist für mich gar nicht so wichtig, daß ich demnächst bei der Galerie
>> XY etwas verkaufe."
>>
>> "Und was ist dann für Dich wichtig?"
>>
>> "Ich könnte vielleicht eine interessante Person kennenlernen..."
>>
>> "Und dann arbeitest Du ein ganzes Jahr, um dafür vielleicht eine
>> interessante Person kennenlernen zu können?"
>>
>> "Hm, ja...."
>>
>> Hier wird schon deutlich, warum Abbing die Kunst eine "exceptional
>> Economy" nennt. Nicht die Intention ist bemerkenswert, sondern das
>> Verhältnis von Aufwand und möglichem Nutzen. Warum machen Künstler das?
>>
>> http://www.hansabbing.nl/
>>
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Re: Künstlerökonomien 1

hahaha, geil. Ist halt eine andere Art der Wertigkeit. Aber warum nicht? Ist ja die Freiheit der Wahl-the freedom of choice...lol. Aber die Freiheit des Künstlers ist ja eine Behauptung, die des Handelnden schon eher eine echte.
Greets Bomber


Am 09.08.2011 um 14:41 schrieb Stefan Beck:

> Ich les grad von Hans Abbing "Why are Artists poor?". Darin wundert er
> sich, warum Künstler über lange Zeit für sehr wenig Geld arbeiten und
> folgert, daß stattdessen für sie andere Formen der Anerkennung wichtig
> sein müssen.
>
> Ein Beispiel dafür erhielt ich gestern im Gespräch mit einem Kollegen:
>
> "Es ist für mich gar nicht so wichtig, daß ich demnächst bei der Galerie
> XY etwas verkaufe."
>
> "Und was ist dann für Dich wichtig?"
>
> "Ich könnte vielleicht eine interessante Person kennenlernen..."
>
> "Und dann arbeitest Du ein ganzes Jahr, um dafür vielleicht eine
> interessante Person kennenlernen zu können?"
>
> "Hm, ja...."
>
> Hier wird schon deutlich, warum Abbing die Kunst eine "exceptional
> Economy" nennt. Nicht die Intention ist bemerkenswert, sondern das
> Verhältnis von Aufwand und möglichem Nutzen. Warum machen Künstler das?
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