Received 17. 03. 2006 -- 20:18 from
fromRe: Warum sollten Künstler in Frankfurt bleiben?
Sehr geehrte Frau Prinzessin von Hannover, sehr geehrte Frau Tonhäuser,
vielen Dank für Ihre Antwort auf meine Frage: "Warum sollten Künstler in
Frankfurt bleiben?"
Seltsamerweise erreichte mich Ihre Antwort über meine Mailingliste,
bevor ich sie direkt in meinem Postfach vorfand. Möglicherweise hat eine
andere Person in meinem Namen die gleiche Frage an Sie verschickt.
Ich bin mit Ihrer Darstellung nicht zufrieden.
Sie legen mir Zahlen vor, die das Niveau des Engagements der Stadt
Frankfurt belegen sollen.
Abgesehen von den Millionen, die schon an die Städtischen Bühnen gehen,
demonstriert der Produktbereich 21 des Städtischen Haushaltes ein
anderes Bild.
Die darin aufgelisteten Theaterprojekte erhalten insgesamt 4.175 Mio.
Euro, alle Kunstprojekte zusammen nur 1.19 Mio. Euro. (Ich hab mal die
Städelschule ausgelassen.) Davon ist der größte Teil institutionelle
Förderung, die Künstlern in der Regel nicht zur Verfügung steht.
Übrig bleiben nach dem Atelierprogramm die Bereiche "Allgemeine
Förderung visueller Medienarbeit" und "Allgemeine Förderung von
Bildender Kunst". Das ist Projektförderung, die jedes Jahr neu beantragt
werden muß. Eine kontinuierliche Arbeit ist damit nicht zu verwirklichen.
Ich meine allerdings, das Geld ist nicht das Hauptproblem.
Wie ich schon Ihrer Kollegin von der FDP geschrieben habe (s. Anhang)
vermisse ich eine dezidierte Strategie der Stadt Frankfurt im Hinblick
auf die bildenen Künste und die vor Ort ansässigen Künstler.
Zu einem ähnlichen Ergebnis kam jüngst Herr Hierholzer in der FAZ:
"An Vorstellungen, wie die Frankfurter Kultur in zehn oder zwanzig
Jahren aussehen soll, mangelt es vollständig. Keine Ideen weit und
breit. Und erst recht keine Visionen, wo es doch immer das kulturelle
und auch kulturpolitische Vorrecht war, solche zu entwickeln. Man
erfreut sich lieber an dem gewiß erquicklichen Ist-Zustand: Frankfurts
Museen, Kunsthallen sowie der Kunstverein machen allesamt wegen ihrer
erstklassigen Ausstellungen von sich reden. Die Künstler lebten in
Berlin und stellten in Frankfurt aus, heißt es gelegentlich. "
Gerade den letzten Satz kann ich aus eigener Anschauung nur bestätigen.
Frankfurt ist gerade so attraktiv, daß es Künstler geben soll, die ihr
städtisches Atelier in Frankfurt halten, während sie die meiste Zeit in
Berlin leben. Die Städelschule bildet junge Künstler aus, die über kurz
oder lang auch nach Berlin oder anderswo gehen. Das sollte doch zu
denken geben.
Austausch, Mobilität, gut und schön. Aber welche Antwort hat die Stadt
Frankfurt auf die Tatsache, daß Institutionen und Gallerien ihre
Künstler von überall beziehen können? Es gibt zwar Gastateliers für
auswärtige Künstler, aber von solchen für hiesige Künstler im Ausland,
oder Reiseunterstützung habe ich bislang nichts gehört. Manchmal hilft
die Hessische Kulturstiftung aus.
Man freut sich, daß immer noch Menschen wegen Goethe, der nur 26 seiner
84 Lebensjahre in Frankfurt verbracht hat, in diese Stadt kommen. Aber
wer mag in 200 Jahren nach Frankfurt locken, immer noch Goethe?
Wenn ich zum Abschluß noch kurz auf den Bereich hinweisen darf, der
meinen Tätigkeitschwerpunkt ausmacht, Netzkunst und die Arbeit freier
Projekträume.
Nennen Sie mir doch eine Institution in Frankfurt, in der sich ein
unbedarfter Besucher darüber informieren könnte.
Mich wundert es nicht, wenn Künstler weiterhin nach Berlin abwandern.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Beck
--
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