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[thing-group] Received 28. 04. 2006 -- 12:17 from from

Re: Fuer den natuerlichen Tod des Kunstwerks


Manche halten es anscheinend in der ihnen angemessenen, verqueren "Art"
nicht aus, daß gewisse "Kunstwerke" sie überleben,
und noch lange nach dem Ende einiger Individuen, von Schönheit (etwa) Größe
und auch Menschlichkeit, (sowie: Klasse und Stil etc.)
anderer, vorheriger Epochen, "zeugen" werden, ...

Es gab immer schon Menschen, die ihre eigene, etwaige Unfähigkeit gekonnt
und auch manchmal bewusst kaschiert haben, um mit pauschalisierten, wütenden
Angriffen auf alle Kunstepochen, die große Werke darin und die elemtare
künstlerische Kraft anderer, schon längst verblichener, aber in/durch ihre
nachgelassene Werken niemals sterbenden Künstler/-innen, in die
Öffentlichkeit zu treten.

Wer für den Untergang der Sixtinischen Kapelle werben mag (und deren
Vergessen, ..) hat sicher z.B. nichts von dem Begriff: "kulturelles Erbe"
verstanden und will wohlmöglich die Trost- und Kunstlosigkeit, sowie
Ratlosigkeit der aktuellen Epoche zum Standard eines defizitären
künstlerischen Schaffens, welches oft mehr dem Wühlen eines Hundes in der
Mülltonne nach verwertbaren, abzunagenden Knochen gleichkommt, als
lebenswertes und freudiges Exemple zur "Statue" erheben.

Auf der anderen Seite eine "etwaige" Infantilisierung der gegenwärtigen
Gesellschaft anzuprnagern, beißt sich wunderbar und quasi paradigmatisch
selber in den etwa noch nicht vorhandenen (?) Schwanz!?

Was ist so schlimm daran, wenn sich heute jung und alt annähern und z.B.
gleiche "Klamotten" und (auch recht praktische, früher verpönte, ..)
Sportutensilien benützen?

"Kunstfreies Wohnen" zu fordern verdirbt gerade/besonders der sicher
erhaltenswerten künstlerischen Spezies die "Suppe", welche ihr höchstes
Bemühen dahin orientiert haben mag (und manchmal staunenswerter Weise: zu
Recht) das Alltagsleben zur "Kunstform" zu erheben, aber gleichzeitig in
Widerspruch dazu den Alltag vermarktungsgerecht immer neu erfinden will, um
möglichst gepflegt aber konform und opportunistisch davon leben zu können!

("Künstler" die von ihrem Gewinn, den sie auch als solchen "deklarieren"
(quasi als Unternehmer leben, ..) auch nur wieder: Porsche, Landhäuser,
Gucci, Rolex kaufen, damit man jene wenigstens gut und rasch als
partizipierendes, wertvolles und konsumierendes gesellschaftliches
Norm-Subjekt erkennen mag.)

Und nur darin stimme ich dem Autor der oben erwähnten Zeilen zu, wenn eine
kritische, diagonale Lektüre seine Pamphlets dies u.a. unterstreichen
sollte!


Subject: Re: [thing-frankfurt] Fuer den natuerlichen Tod des Kunstwerks


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perfekt. besser hätte ich es auch nicht schreiben können.




Am 23.04.2006 um 21:48 schrieb bonzo [at] signifikat [dot] de:


Manifest fuer den natuerlichen Tod des Kunstwerkes


Wo ist Hoffnung, wenn mit zunehmendem Alter die Hautoberflaeche
gleich der Erfahrung zunimmt und sich zu kraeuseln beginnt wie
die Seeoberflaeche beim ersten Hauch des Herbstwindes? Wer
glaettet die Sorgenfalten? Wer verscheucht die Kraehen, die
durchs Gesicht fusseln? Nicht Ellen Betrix. Nicht Oil of Olaz.
Freunde schmeisst die Tiegel und Tuben sortiert in den Muell.
Unsere wahre Hoffnung ist die Kunst! Die vergeht nicht. Die
wird mit zunehmendem Alter immer besser, wie guter Wein.
Und das Wunderbarste: sie altert spurenfrei. Schauen wir ein
wenig neidvoll in die Restaurierungs-kammern der Museen.
Schauen wir bewundernd zu den Pigment-Doctores auf: sie haben
das Geheimnis ewiger Jugend entdeckt! Und wieder haengt
Leornardos laechelnde Schlampe mit 500-jaehriger Samthaut wie
ein Pfirsichpopo im Rahmen.

Ja, warum denn? Ja, was soll das? Warum wird auf Sixtina
komm raus erhalten, bewahrt und retuschiert?
Machen wir uns nichts vor: die zwanghafte Erhaltung von Kunst,
die umfassende Durchaesthetisierung des Alltags, die staendige
Reanimation und Wiederentdeckung vergangener Kunstepochen ist
nur Ausdruck der heutigen Phobie vor Alter, Runzeln und Tod.
Kunst als zeitlose Konstante ist die Wunschprojektion der
altersfreien Gesellschaft, ein verkehrtes Dorian-Gray-Syndrom.
Und dabei entspricht die staendige und zwanghafte Restaurierung
alter Kunstwerke genau dem Face-Lifting des Schoenheitschirurgen.
Der Erhalt abrissreifer Schrottbauten dem Jogging-Widerstand
gegen erschlaffendes Fleisch.
Nehmen wir die Dresdner Frauenkirche: der historische Prozess
wird umgekehrt und das ausgebrannte Symbol einer Gewaltherrschaft
wird mit weltweitem Spendenaufkommen versoehnlich zurueckidyllisiert.
Die Dresdner Frauenkirche ist die erste globale Kirchturmpolitik.
Frueher lehnten die Avantgarden das Altbackene ab: Wenn Marcel Duchamp
Mona Lisa einen Bart malt, sagt er, dass diese Kunst einen Bart hat.
Marinettis futuristische Rennwagenbegeisterung blies fuer Nike die
Totenhupe.
Heute ist Nike eine wohlgenaehrte Sportmarke, die alles daransetzt, die
Fiktion des sportlichen Jugendlichen bis ins Grab zu verlaengern.

Denn Infantilisierung, das ist die andere Seite der Medaille:
Jugendliche und Erwachsene tragen Kleidergroessen, in die sie
niemals hineinwachsen koennen, selbst, wenn sie die Wachstums-
geschwindigkeit von 6jaehrigen besaessen. Trendsportgeraet der
Mittdreisiger war noch kuerzlich der Tretroller, dem sich frueher
schon Vierjaehrige entwachsen fuehlten und lautstark ein
Fahrrad forderten.

Und natuerlich schauen die Erwachsenen Tierfilme, die
abendfuellend jedes Fernsehprogramm beherrschen.
Waehrend Kunst frueher komplex die Welt rumwuerfelte, reagiert
sie heute allzu oft devot mit Basiserfahrungen zum Tasten,
Schmecken, Sehen, kurz mit Sinneszirkeln fuer Infantilgebliebene.

Das darf nicht sein! Wir sind das Ende der Fahnenstange!
Stand am Anfang der Moderne mit Raffael die Einstellung des
ersten Denkmalpflegers, so muessen wir ihm, nach ihrem Ende,
jetzt endlich und schleunigst die Entlassungspapiere schreiben.

Wir fordern:

1. Falten fuer Mona Lisa

2. Verbot von Kunstdrucken

3. Schluss mit Ausstellungen der klassischen Moderne

4. volles Licht in die Museen

5. kunstfreies Wohnen

6. Foerderung der net.art (vergeht von selbst)

7. saeurehaltiges Papier

8. Verknappung der Oelfarbenreserven

9. Abschaffung des Publikums

10. Kunstpause

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Das Manifest schickt:
krachkunstkommune


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http://www.kunsttot.de


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