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[thing-group] Received 19. 05. 2006 -- 23:29 from from

serverfestival2006 - erweiterter aufruf

serverfestival2006 - die kunst verlassen
reflektionen zu kunst und politik


wann: september2006
wo: wiesbaden [atelier kombinart | esc-space]

kommen und mitmachen: wer will, kann sich in das serverfestival2006
jederzeit einklinken. dazu einfach an den diskussionen/dialogen
teilnehmen (s. liste) oder im wiki mitschreiben (s. link). dann, im
september, vor ort, in wiesbaden, oder via internet, von irgendwo.


"produktionsbedingungen hinterfragen, aber die institution nicht
angreifen? das kann nicht sein!"
paffi nüppel, jannuar 2006

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copy&paste // cut-up
KunstsystemAlsPostfordistischesUnternehmen

wie lingner aufzeigte, bestehen für den künstler seit seiner
entlassung in die vermeintliche freiheit vor allem ökonomische
zwänge, die ihn unfrei machen. der künstler, so denn er sich von
seinen produkten ernähren will, begibt sich in das betriebssystem
kunst, welches sich in den letzten jahrzehnten zunehmend als
postfordistisches unternehmen darstellt, in der jeder künstler sich
als ich-ag, als scheinselbstständiger einbringen muss. so zwingt das
system kunstmarkt dem künstler seine bedingungen auf, verlagert, ganz
im sinne der postfordistischen fabrik, die fabrik in das innere des
subjekt. das unternehmen kunstmarkt definiert das subjekt "künstler".
dem vermeintlichen künstler bleibt, um in dieses unternehmen zu
gelangen, nichts anderes, als das grobe raster an subjektivierung mit
einem "persönlichen" alleinstellungsmerkmal zu versehen. dies kann
aber nur der körper/lifestyle des künstlers sein, was in letztlich in
ein verhältniss der prostitution zwingt: er muss seinen körper
anbieten um waren produzieren zu dürfen.

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sicherlich hat die postfordistische produktion folgen auch und gerade
im bereich der kunstproduktion gezeitig - jedoch würde ich hier eher
argumentieren, dass die künstler als vorreiter einer subjektivierung
dienten, die dem arbeiter vorgaukelt er sei nicht länger von den
produktivkräften getrennt. also der künstler ist nicht nun
letztendlich auch noch teil der postfordistischen abeitsorganisierung
geworden, sondern seine moderne romantisierung ist genau dasjenige
ideologische modell an dem sich nun abhängig beschäftigte orientieren
sollen.

daraus entstehen gesellschaftlich absurde härten: künstler sollen
ihren gesellschaftlichen mehrwert nachweisen und angestellte ihre
freiheit vom beschäftigungsverhältnis.

die politisierung des modernen künstlersubjektes durch die avant-
garden, sprach ( wo sie sich mit der eigenen rolle innerhalb der
industriellen massenproduktion auseinandersetzen) dem künstler eine
macht zu die ihn systematisch vom arbeiter oder allgemeiner von
produzenten auf anderen gebieten, unterschied: im gegensatz zu den
anderen produzenten war der künstler nicht getrennt von den
produktionsmitteln. der künstler selbst ist ein berufsbild innerhalb
der arbeitsteilung aber seine tätigkeit begleitet das produzierte
objekte von planung bis realisierung.

genau diese freiheit von der mehrwertproduktion (im feld der kunst
ideologie ebenso wie chance) wurde im laufe der postfordistischen
produktion zum stereotyp der allgemeine produktion ausgeweitet (und
hier gewalt): das klassische modell der fordistischen fabrik, des
sozialzusammenhangs arbeitsplatz wurde ersetzt durch scheinbar
selbständige beschäftigungen - eigentlich bloss eine multiplizierung
und verfielfachung der abhängigkeitsverhältnisse.

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marx beschreibt im kapital band I die "ursprüngliche akkumulation"
also sozusagen die urbarmachung der welt für die kapitalistische
massenproduktion. der zentrale punkt dieser urbarmachung besteht
darin die produzenten von den produktivkräften zu trennen und sie so
zu nötigen a) ihre arbeitskraft auf dem freien markt anzubieten und
b) ihre eigene arbeit als entfremdet wahrzunehmen, ihr also keine
sinn mehr beimessen zu können, da das produkt der arbeitsteilung vom
standpunkt des spezialisierten handgriffes des einzelnen produzenten
nicht wiederzuerkennen ist.

wie im warenfetischkapitel dargestellt, treten in der
kapitalistischen arbeitsteilung dem arbeiter die produkte der eigenen
arbeit als quasi natürliche gegenstände, als waren, gegenüber.

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der postfordismus legt, wie im herumgesandten abschnitt ja
festgestellt, die verantwortung der produktion - nicht aber ihre
mittel - in den schoss der produzenten. durch die prekarisierung der
arbeit, die vielbeschäftigung, das deskilling und die erzwungene
chaotisierung der lebenswege wird aus den "abhängig beschäftigten"
des fordismus, scheinbar frei umherschweifende produzenten des
postfordismus - deren abhängigkeit sich jedoch nur noch verstärkt
hat. zum einen weil die trennung vom modell der firma die solidarität
unter den arbeitenden in fetzen reisst, zum anderen weil diese
individualisierung des arbeitskampfes seine quer über die
erwerbsmöglichkeiten verteilten lohnarbeiten als in die position
bringt ihre unterschiedlichen tätigkeiten als immateriell
wahrzunehmen, als unverbunden, völlig vom material unabhängig und
sinnlos...

ich glaube daher nicht, dass der übergang von der vereinzelung der
produzenten in die 'prostitution' führt: seinen körper als
arbeitskraftbehälter verkaufen menschen seit beginn des kapitalismus,
sondern dass die individulaisierung der arbeitsverhältnisse wie auch
der künstlerbiografien das körperliche aus der produktion
verschwinden lässt. es taucht auf - aber als brand, als marke als
oberflächenstruktur. die postfordistische vereinzelung führt zu einem
verschwinden der realen produktion unter den oberflächen: auf die
sich ebenso die ideologischen anfeuerungen von staatsseiten richten
wie auch häufig die 'kritischen' gegenmodelle. der kampf um die
oberflächen bleibt ohnmächtig.

wo das firmenmodell - wie bei den arbeitskämpfen der 1970er gerade in
Italien, aber auch noch in deutschland - noch die möglichkeit der
aneignung, der übernahme in aussicht stellte wird auch das konzept
der aneignung in der prekären beschäftigung individualisiert,
zerteilt. es werden fragmente angeingent, bruchstücke - und eben
diese politik der bruchstücke lässt das system kapitalistische
produktion unangetastet. es bleibt an der oberfläche, bleibt
reformistisch.

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Ich würde eher zur kritik künstlerischer Subjektivität tendieren.
„Künstler“ (bzw. ihre moderne Romantisierung) sind doch begründet als
Avantgarde der Individualisierung zu sehen, nicht nur weil ihre
angebliche 'freiheit von der mehrwertproduktion im laufe der
postfordistischen produktion zum stereotyp der allgemeine produktion
ausgeweitet wurde', sondern auch weil Künstler in ihrer
(Selbst)Produktion, als singuläre Autoren, (urheber)rechtlich
festgeschrieben, Autonom sind. Hier ist der Preis der angeblichen
'Freiheit von der Mehrwertproduktion' doch die Endsozialisierung, das
bei-sich-selber-angestellt-sein, das profetischistische zur Ware werden
und direkt den Marktzwängen ausgeliefert sein. Eine kritik am Autonomen
Subjekt, welches im Zentrum des Neoliberalen Diskurses steht, schließt
doch eine Kritik am Künstlersubjekt mit ein!?

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Reform oder Revolution in der künstlerischen Praxis?
Dazu müsste man schon unterscheiden, welche Arten der künstlerischen
Praxis
es hier überhaupt gibt:
-systemkonforme, in den Unterhaltungs- und Medienbetrieb eingespannte?
-systemkritische, die sich mit Politik und Gesellschaft
auseinandersetzt?
-den Elfenbeinturm der künstlerischen Praxis, die rein aus der
Kreativität
ihres Subjekts strömt?
-esoterische, die auch spirituelle Aspekte nicht außer Acht läßt?
-gibt es da Übergänge und welche?
Für systemkritische KünstlerInnen bietet diese Gesellschaft
eigentlich keine
Überlebensmöglichkeiten...(das war ja wohl der Ausgangspunkt dieser
ganzen
Diskussion) insofern muß sie immer auch Überlebenskunst sein, das
ist aber
auch nicht zwangsläufig revolutionär - es sei denn, man betrachtet den
Entschluß, kreativ zu werden bereits als revolutionär (was in vielen
Fällen
auch wahr ist)
-und dann ist ja da auch noch der Aspekt, zu dem sich Jeronimo gerade
mal
wieder super auf den Punkt geäußert hat...allerdings gibt es ja nicht
nur
Künstlersubjekte und Künstler sind nicht zwangsläufig singuläre
AutorInnen...es gibt viele Formen der Produktion, die als
Gruppe/Band/Kommune/Produktionsgemeinschaft betrieben werden, z.B. einen
Film zu machen, benötigt immer viele Beteiligte...
ich fände es interessanter und weniger abgehoben, herauszufinden, welche
KünstlerInnen es in welchen Genres schon gibt, die sich eben mit den
Hierarchien und der Art ihrer Produktionsweise beschäftigen, diese
modifizieren und was dabei herauskommt/ob das die 'herkömmliche'
Stellung
des Künstlersubjekts nicht automatisch in die Kritik bringt...
manchmal finde ich das auch alles sehr verfrickelt, weil man sich ja bei
allen Lebensäußerungen fragen kann, ob sie autonom, selbstbestimmt
und somit
politisch sind... vielleicht liegt das aber an meinem mangelnden
theoretischen Überblick zur Thematik und ich sollte mir mal einige
von Euren
Büchern reinziehen, damit ich da überhaupt konstruktiv mit diskutieren
kann...
ein Problem ist auch, dass man die Wirkung von Kunst nicht einfach so
eindimensional analysieren kann, was hat 'Revolution' von den Beatles
oder
Shakespeare wirklich ausgelöst, bewegt, wer kann das wie ermessen, ob
ein
Kunstwerk zum gegebenen Zeitpunkt revolutionären Charakter hat oder
ihn erst
zwei Jahrhunderte später entfaltet?

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