Received 07. 07. 2010 -- 14:33 from
fromFernhalten | Fußball
liebe margarete,
man kommt ja zunix mehr wg: hitze | fußball :-/ | prekariat ...
jetzt aber, zu deiner letzten mail:
erst einmal vielen dank für deine ausführliche antwort und natürlich für dein nettes feedback auf meine website und so :-D
... ja, auch ich habe noch immer die utopie, dass es nur "gemeinsam" etwas zu erreichen gibt:
als gegenseitige "moralische" unterstützung. als sichtbarere öffentlich plattform. und so.
meine erfahrungen diesbezüglich sind, nun, auch "prekär": ich habe schon einige male mit anderen in gruppen zusammengearbeitet. jedesmal haben sich diese gruppen jedoch entweder wieder ganz aufgelöst, oder dümpeln ein wenig vor sich hin, ohne ihr potential (an das ich noch immer glaube), auszuschöpfen.
es scheint mir, dass die meisten von uns die "moderen subjektivität" sehr verinnerlicht haben. wie du es ja auch beschrieben hast. nur im ganz privaten bindet man sich dann, als paar/kleinfamilie, aber dieses "private" gilt, will mir scheinen, ja heute als ganz und gar nicht mehr "politisch". es ist vielmehr ein rückzug. eben das besagte "fernhalten".
fein nur, dass dieser "Neo-Individualliberalismus" sich so gut marktwirtschaftlich verwerten lässt. dass möchte man natürlich NICHT wahrhaben, wenn man da so seinem künstler-mythos, und seinem "ach-geld-ist-doch-nicht-so-wichtig" frönt. der von dir diesbezüglich verlinkte artikel http://igkultur.at/igkultur/kulturrisse/1136908205/1136975881 ist super!
"Wie könnte eine gemeinschaftliche Arbeitsform aussehen, die Rücksicht nehmend auf die individuellen Kreativitäten & Sensitivitäten Kulturgut in Form von Dingen und Ideen generiert?"
das ist genau die richtige grund-frage, finde ich.
vielleicht sollte man dazu ein symposium veranstalten. ich beschäftige mich schon seit langen damit. aber irgendwie komm ich damit auch nicht so richtig weiter. irgendwie wurschtelt dann doch jeder alleine weiter. kann man ja AUCH machen. aber nicht NUR. ist doch auch langweilig!
ich denke dabei an ein (vielbeschworener begriff) verbindliches netzwerk, was schon wieder an eine "gruppe" heranreicht. aber das führt jetzt zuweit ...
das mit dem "verbitterungssyndrom": unlängst meinte eine freundin (selber malerin), ich sollte lieber aufpassen, dass ich nicht so verbittert wirke, wie so manche ältere künstler, die es "nicht geschafft haben" und ständig jammern, und ich würde ja auch so wirken, als würde ich immer nur jammern ... tja, sowas hört man natürlich gerne!
ps. "pädagogisch" ist überhaupt nicht unerotisch, find ich!
aber "investigative kunst" ist ein super begriff :-)
pss. fußball nervt irgendwie schon. ist doch nur ein spiel! oder?
will sagen: kann ich es mir erlauben, HEUTE (7.7.2010) halbfinale D versus ESP) meine kappe mit dem hübschen spanischen wappen aufzusetzen?
----> hierzu erlaube ich mir werbung für meinen blog:
"Frauen an den Ball – Nützliche Tipps"
http://boutiquevrenitm.blogspot.com/2010/06/frauen-den-ball-nutzliche-tipps.html
liebe grüße aus der kreativstadt
verena
--- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot]6 de hat Margarete Gamdzyk
>
> Liebe Verena,
>
> endlich komme ich zu A(a)ntworten, bzw. Stellungnahmen zu Deinen Vorschlägen, für die ich mich als Erstes bedanke.
>
> "- ein gemeinsamer "ort", wo man hingehört. menschen mit gleicher wellenlänge.
> - feedback für das eigene tun. motivation.
> - gemeinsame "künstlerische" aktionen
> - gemeinsames auftreten. gemeinsame präsenz. gemeinsames organisieren des auskommens und des lebensunterhalts.
> ... das wäre so meine vorstellung."
>
> Was mir auffällt ist das in jedem von Dir aufgezählten Punkt "gemeinsame", auch das Feedback ist durch die Anwesenheit und Rezeption des Anderen, des Du, bedingt. Auf der Suche nach "Rettungsankern im Wissen" bin ich auf Roland Hagenbüchle gestoßen. 1995 hat eine Konferenz stattgefunden mit dem Titel: "Geschichte und Vorgeschichte der modernen Subjektivität". Die Einleitungsrede zeichnet im Zeitraffer auf ca. 70 Seiten die Entwicklung der Subjektivität, die als theoretischer Begriff ab ca. 1800 in den westeuropäischen Humanwissenschaften und -theorien auftaucht.
> So wie es ausschaut, haben wir uns zunehmend zu isolierten Neurotikern entwickelt, denen es wehement verklickert wird, dass man das Leben doch zuerst alleine hinkriegen muss, bevor man sich - wie auch immer - bindet, quasi reife Persönlichkeit. Dazu ein Zitat aus dem Text:
> "Die Reformation hat gezeigt, wie enorm der Druck ist, der auf dem Menschen lastet, wenn er seine existentiellen Entscheidungen allein zu treffen hat. Die im Gang befindliche zweite »liberalistische oder individualistische Reformation«, die den Einzelnen völlig auf sich selber stellt (und das Weitere den Marktgesetzen überläßt), erzeugt eine vergleichbare Belastung, die nicht zuletzt den individualgeschichtlichen Anfang von Subjektivität - das Kind - hart trifft."
> ...und GFW Hegel:
> »Wenn sich die Subjektivität in ihrem geistigen Insichsein von unendlicher Wichtigkeit wird«, erklärt schon Hegel,
> dann ist das gleichbedeutend mit dem »Ersterben der Seele«; eine solche Subjektivität ist »absolut unglücklich, der ewigen
> Verdammnis überantwortet« (Vorlesungen über die Ästhetik, Zweiter Teil, Dritter Abschnitt).
> Jean Paul warnt in seiner »Rede des toten Christus«: Wenn jedes Ich sein eigener Schöpfer ist, dann ist es vielleicht auch sein eigener Würgengel.
> Auch die Avantgarde sah das Individuum als geschichtliche Fehlentwicklung an, die an den Rand der Selbstzerstörung
> geführt habe (Artaud) und nur durch Abschaffung des Individuums zu korrigieren wäre.
>
> Da haben wir es ! Die Utopie sollte lauten: Gemeinsam & kollektiv (ohne gleich in Kommunismus abzurutschen), das ist die Rettung. Eine süße, eine energetisierende, eine nahezu ins Nirvana beflügelnde Vorstellung. An der UdK Berlin wird Kunst im Kontext gelehrt, neben dem politischen auch im eigenen sozialen Erlebniskontext - gemeinsame Arbeit an künstlerischen Projekten. Und nochmal Hagenbüchle:
> "Nicht das sich als autonom gebärdende Subjekt, sondern nur ein sich in seinem Gefährdetsein und in seinen Abhängigkeiten durchschauendes Subjekt ist überhaupt in der Lage, im Sinne einer menschlich zu gestaltenden Welt aktiv an der Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse mitzuwirken". Nicht dass Kunst diese Art von Funktionalisierung zu bedienen hat, aber auch Kunst ist massgeblich daran beteiligt, Werte zu schaffen.
>
> Ich habe mir genauer Deine Site angeschaut, sehr hübsch und frisch, reflexiv-informativ und anspruchsvoll mit Leichtigkeit. Du gibst Verweise auf andere Kulturschaffende, die mehr oder minder in Eigenregie ihr (Berufs-) Leben meistern. Doch wie könnten diese Menschen eine gemeinschaftliche Arbeit, oder besser gesagt, gemeinschaftliches Schaffen erzeugen? Wie könnte eine gemeinschaftliche Arbeitsform aussehen, die Rücksicht nehmend auf die individuellen Kreativitäten & Sensitivitäten Kulturgut in Form von Dingen und Ideen generiert?
>
> Wir beklagen hier ab und an die prekäre Lage der Kulturschaffenden (dazu übrigens ein guter Artikel aus Österreich:
> http://igkultur.at/igkultur/kulturrisse/1136908205/1136975881), Herr Beck sprach in seinem letzten Seminar von "Verbitterungssyndrom" und wartet darauf, dass dies, ähnlich dem Burn-Out, in den Leistungskatalog der GKVs aufgenommen wird. Wir müssen was tun und es wäre hier vielleicht ein guter Platz konkrete Vorschläge, gar Strategien zu überlegen.
>
> Ich bin gegen Fernhaltung, ich bin für investigative Kunst auch wenn sie das unerotische Prädikat: "pädagogisch" bekommen sollte.
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> ... und danke der Nachfrage, die Naomi (schneidenföhnen) ist wie guter Cognac, mit den Jahren immer besser.
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> Schöne Grüße
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> Margarete
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