Received 15. 09. 2005 -- 13:25 from
fromRe: herr beck, die FDP und immergleiche diskussionen
At 11:09 15.09.2005, irgendwer wrote:
> >
> > Und atelier frankfurt. Was ist das für ein konzept sich von der messe
> > frankfurt (= stadt, kommune, steuergelder) bezahlen zu lassen, um
> > gelangweilten "tendence lifestyle" (sic!) besuchern das erlebnis eines
> > offspaces vorzugaukeln?
zunächst mal kann man sich nur indirekt über steuergelderverschwendung
beschweren, weil die Messe Frankfurt zwar tatsächlich im öffentlichen
Besitz ist, aber im Geschäftsjahr 2004 schwarze zahlen schrieb: "Noch
stärker als der Umsatz verbesserte sich das Ergebnis. Es stieg um 44
Prozent auf rund 33,5 Millionen Euro (2003: 23 Millionen Euro)."
http://www.messefrankfurt.com/corporate/de/pressecenter_news.html?guid=mf_ddsp1432_7907&language=de&show_date_detail=yes
d.h. maximal kann man sich darüber beschweren, dass die gelder, die von der
tendence fürs AF ausgegeben wurden, den gewinn der messe schmälerten, nicht
aber, dass aktiv steuergelder dafür ausgegeben worden wären. außerdem wird
der gewinn der messe nicht als steuer verbucht (ihr verlust, so sie mal
einen macht, allerdings aus solchen bezahlt).
>der politische künstler, und kunst ist per definitionem immer
>politisch,
also ist der politische künstler ein weißer schimmel
>befindet sich grundsätzlich in der opposition zum staat.
ist doch quatsch. das kannst du nur behaupten, weil du voraussetzt, dass
politik im opposition zum staat steht. bestimmt gibts auch einen "verband
christdemokratischer künstler zur verteidigung der BRD und ihrer
parlamentarischen demokratie" oder vergleichbaren käse.
>das heisst, er muss gefördert werden (die npd kriegt ja z.b. auch
>wahlkampfzuschüsse, um die verfassungsmäßig vorgeschriebene pluralität
>der meinungsbilung zu sichern),
die anderen parteien bekommen ebenso wahlkampfkostenzuschüsse, die sich
übrigens offiziell Wahlkampfkostenerstattung nennen und den einfluss (und
damit die einflussnahme) organisationsfremder begrenzen sollen. sie richten
sich nach dem erfolg, den eine partei hat, d.h. sie begünstigen eben nicht
opponierende parteien, sondern staatstragende.
richtig interessant ist doch, dass diese diskussion jetzt und hier aufkommt
(was afaik 2002 nicht so war). d.h. stefan und wohl auch die anderen
diskutanten nehmen die aktuelle wahl als richtungswahl wahr, die offenbar
einen höheren einfluss auf ihr leben hat als die vergangene. fragt sich:
warum? die letzte richtungswahl, an die ich mich erinnern kann, war 1982.
was erhofft sich stefan von der fdp: du definierst dich als unternehmer und
glaubst deshalb offensichtlich reflexhaft an die regel: weniger regulierung
= besser für den unternehmer = FDP rulez. dabei ist es aber doch im
gegensatz so, dass die einfachsteuersysteme von FDP, kirchhoff et.al.
lediglich großunternehmen und -verdienern helfen würden, jedoch kaum
kleinunternehmern, die darum betteln müssen, dass jemand ein t-shirt kauft.
diese würden direkt und sofort massiv draufzahlen. (wenn ich mal von mir
ausgehe, mit einem jahresumsatz so um die kleinunternehmergrenze
schwankend, würde sich mein steuersatz bei 25 prozent für alle direkt
verdoppeln... großartig, vor allem für meine investitionsabsichten (=
binnenkonjunktur)). insofern fügen sich die meisten steuerkonzepte, auch
die weiter angekündigten unternehmenssteuersenkungen von rot/grün unter
beibehaltung des linear-progressiven steuermodells in den seit rund 20
jahren laufenden megatrand bei der zusammensetzung der staatsfinanzen: der
anteil der unternehmenssteuern sinkt, der anteil der einkommenssteuern (von
angestellten wie selbstständigen) steigt. und am stärksten gestiegen ist
der anteil der niedrigen steuerklassen. jede form von einheitssteuermodell
bzw. stufenmodell, so das wsi der hans-böckler-stiftung, verringert auf
dauer die staatseinnahmen. das aber, lieber stefan, kann dir als
unternehmer nur dann egal sein, wenn du viel verdienst und keine
kunstförderung willst (deren verschwinden du ja beklagst). dann müsstest du
aber nicht dem wiesbadenser deine t-shirts wie sauer-milch anpreisen.
weiter interessant - und bei meiner persönlichen wahl-überlegung der einzig
interessante punkt - ist doch die große koalition der ARBEITARBEITARBEIT
schreier, die von der mlpd über linksfuzzis und rot/grün bis zur fdp cdu
und den nazis reicht. die einen wollen halt türken und polen deportieren,
damits mehr arbeit gibt, die anderen steuern senken oder den rest der
republik in autobahnen umwandeln. angesichts der tatsache, dass kein mir
bekannter und mit realistischen chancen auf eine machtposition
ausgestatteter mensch/institution (inkl. den depperten gewerkschaften)
endlich mal in der lage ist zu sagen, dass die technologischen fortschritte
der industriegesellschaft es weder global, noch europaweit oder national
jemals wieder zulassen werden, etwas wie vollbeschftigung zu haben, würde
ich mich am liebsten auf die suche nach den alten RAF-waffenverstecken
begeben. denn wie sollen jemals realistische und nachhaltig vernünftige
gesellschaftliche konsequenzen aus dieser tatsache gezogen werden, wenn wir
immer dem arbeitsterror als erste bedingung unseres seins unterworfen werden?
und nochwas: das gerede davon, dass es nichts mehr zu verteilen gäbe, ist
saudumm. es gibt viel zu verteilen, die frage ist nur, wofür das geld
ausgegeben wird.
und was ich schon lange nicht mehr hören kann ist dieses standortbezogene
kriesengejammer, auch dann nicht, wenn es auf befreundeten mailinglisten
verbreitet wird. dem arschgefischerten standort D geht es saugut, sonst
wäre er nicht exportweltmeister. woran es hapert ist die binnenkonjunkktur,
und die kurbelt an, wer den massen der kleinunternehmer mehr geld gibt. s.o.
martin