Received 20. 02. 2006 -- 21:51 from
fromnach der netzkunst
start//*
am vormittag hatte ich die gelegenheit, die texte von lingner quer zu
lesen. so wird für mich die idee der postautonomen kunst, so es sie
denn gibt (und wenn ich es richtig im kopf habe, hat er sie schon in
den neunzigern des letzten jahrhunderts eingefordert), langsam
greifbarer. StefanBeck, der lingner genau gelesen hat, hat eine
präzise forderung aus den texten extrahiert:"..., die Qualität
moderner Kunst werde durch die Qualität der Kommunikation über
moderne Kunst bestimmt."
StefanBeck hebt dann ab zu der vorstellung, dass, wenn der "Referennt
Kunst" wegfiele, eine selbstreferentielle Sprachstruktur übrig
bliebe. für eine postautonome kunst ist diese vorstellung wenig
hilfreich, weil lingner, der sich in seinen texten stark auf luhmann
bezieht, keineswegs vom ende der kunst (oder deren wegfall), sondern
lediglich die krise der kunst bzw. des kunstsystems, welches sich vor
allem im system der ausstellung manifestiert, diagnostiziert.
DavidGoldenberg schlussfolgert dahingehend "das ende jeglicher
ausstellungskunst", was wiederum lingner zuvor in seinen texten
andeutet, jedoch nicht als feststellung oder forderung aufstellt.
lingner überlässt dies dem künstler. dass das ende der
ausstellungskunst kommen musste, hat sich schon in den siebzigern des
letzten jahrhunderts abgezeichnet, als buren und andere ihre galerien
verliessen und fortan nur noch "in situ" malten. darauf sattelten die
konzeptkünstler, die lingner zufolge, die autonomie der kunst in ein
selbstreferentielles system überführten, an dessen ende die
selbstauflösung steht.
die kunst hat sich nicht selbst aufgelöst, aber die konzeptkunst hat
sich überlebt. StefanBeck geht nun den weg, die sog. netzkunst als
leitfigur einer post-autonomen kunst zu etablieren. als er seinen
artikel auf thing-frankfurt veröffentlichte war jedoch der net.art-
hype gerade zu ende, viel porzelan zerschlagen, viele hoffnungen
begraben. zu allem übel entdeckte eine herrschaar von
ausstellungskünstlern das internet und fing an, sich dort zu
präsentieren. diesem umstand einhalt gebietend, macht beck in seinem
text klar, dass das nicht netzkunst ist.
von solcherlei verteidigungskämpfen ist man heute, nach ende der
netzkunst und des net.art-hype, weitegehend verschont. man kann sich
wieder der sache widmen und in ruhe das eine oder andere gerade
rücken. wichtig ist hier eine linie, die StefanBeck aufzeigt von
lingner zu alsleben zu heute. damit beck sich nicht zu sehr selbst
loben muss, stelle ich in diese reihe seine wichtigsten arbeiten: das
seminar und multi.trudi (vor allem aktivitäten im jahr 2003/2004).
was beck und vielen anderen entgeht (bzw. was eben explizit nicht
weitergeführt und aufgegriffen wird), was lingner in seinen texten
aber deutlich thematisiert, wenn er von autonomie und post-autonomie
der kunst spricht, sind die faktoren produktion und damit
einhergehende wirtschaftliche abhängigkeit des künstlers sowie
poltitische abhängigkeiten.
eine post-autonome kunst, die sich in den nachwehen der netzkunst
abzeichnet, hat die möglichkeit, diese begriffsparameter
zusammenzuführen. post-autonome kunst steht a priori ausserhalb des
kunstsystems. sie kann es sich leisten, anzuecken. und warum nicht,
so wie es matze schmidt im letzten jahr formulierte, produktion im
kapitalistischen sinne, also produktion verstanden als ausbeutung,
angreifen? warum sich ausserhalb des ringes begeben und jammern, dass
man nicht drinne ist?
ein meister des anecken zeigte sich auf thing-frankfurt (und in der
rohrpost; und auf betacity): sab internet & co aufs maul. diese
gruppe von post-autonomen künstlern hatte es sich zur aufgabe
gemacht, neoliberale informations, also machtinstrumente, als solche
zu entlarven und zu diffamieren. mittlerweile ist diese gruppe nur
noch sporadisch auf thing-frankfurt aktiv. dort jedoch gibt es nichts
zu entlarven, weil StefanBeck, als listenbetreiber, die
kommunikationsstrategien der gruppe duldete, ja oft sogar anstachelte.
ein anderer meister des anecken war der kasperl , ein aktivist, der
über ein paar wochen in 2003 auf thing-frankfurt sein vermeintliches
unwesen trieb. der kasperl machte nichts anderes, als fragen, die er
aus einem kleinen büchlein von fischli/weiss abschrieb, in die liste
zu posten. mit der einfachen frage "soll ich in einem balon nach
indien fahren" brach ein sturm der entrüstung los, der am ende binnen
kurzer zeit mehr als 20 leute aus der liste trieb (bei etwas mehr als
150 subscribierten). dieser sturm, und das war das empörende, wurde
von der kasperl jedoch nie mit boshaftigkeit oder aggression
beantwortet, sondern schlicht mit einer erneuten frage aus jenem
büchlein, dass sich als wahrer quell von sinnlosen fragen offenbahrte.
das alles sind letztlich nur kapriolen, findungsprozesse. noch fehlt
es einer post-autonomen kunst an profil, an sprecherpositionen und
einer archivierung und kanonisierung. das sind prozesse, die mit
trashpavilion eingeleitet werden.
quellen/lesestoff
http://www.ask23.de/
http://www.thing-frankfurt.de/home/merchandise/thing-book.php
*//ende
http://www.wiki-institute.com/wiki/view/Trashpavilion/RanD060220