Received 02. 09. 2008 -- 17:04 from
fromRe: Betrifft: einfach so
Liebe Sabine,
ich wollte nicht nahelegen, dass das "einfach so" falsch wäre, sondern
nur, dass ich wahrscheinlich nicht der geeignete Gesprächspartner dafür bin.
Ich gehen davon aus, dass das moderne Kunstwerk (und auch meine Kunst)
einen Anspruch an den Rezipienten stellt, Verantwortung für seinen Akt
der Wahrnehmung zu übernehmen.
Im Sinne von Lingner, der die Qualität moderner Kunst von der Qualität
der Kommunikation über moderne Kunst bestimmt sieht.
Kunst ist eine Sprache, die erlernt werden will. Wie jede andere auch.
In der Tat ist damit aber noch nicht geklärt, was als Kunst gelten darf,
und was nicht, und wer darüber entscheidet.
Das lässt sich aber nur bestimmen, wenn wir wissen, wie diese Sprache
funktioniert.
> Lieber Stefan,
>
> ich weiß nicht, ob ich mich nicht doch wiederhole, und ein gänzlich
> neuer Ansatz ist es auch nicht, aber ich versuche es:
>
> auf Deinen Eingangssatz bezogen: ich bin derselben Meinung. Nur lege
> ich die Kunstgeschichte und Kunsttheorie des 20. und 21. Jahrhunderts
> nicht meiner Definition zugrunde – die Kunstgeschichte und
> Kunsttheorie des 20. und 21. Jahrhunderts ist die Kunstgeschichte und
> Kunsttheorie des 20. und 21. Jahrhunderts.
>
> Auch, dass das moderne Kunstwerk entschlüsselt werden will, ist nicht
> unbedingt ein Widerspruch zu meiner Auffassung; ich frage an dieser
> Stelle nur wieder: ist es dann auch für ein nicht-Fachpublikum
> gemacht? Ich setze ja immer noch voraus, dass es Rezipienten gibt,
> dass die Arbeit geschaffen wurde, um mit einem „Außen" zu
> kommunizieren... darf z. B. ein Kunst-Laie das Werk kommentieren? In
> meinen Augen darf er unbedingt; in denen vieler Etablierter oder
> sich-auf-dem-Weg-dahin-Befindenden – habe ich oft den Eindruck – darf
> er nicht.
>
> Beim Flaschentrockner haben wir uns dann missverstanden, aber nur ein
> bisschen. Selbstverständlich muss jemand gerade ein Ready-made in den
> Kunstzusammenhang stellen, damit es so wahrgenommen werden kann. Aber
> alles NACH diesem „in den Kunstzusammenhang stellen" muss doch jedem
> Menschen zugänglich sein dürfen, oder nicht? Sicher sind die Zugänge
> andere, wenn man einen Fach-Studenten und einen Otto-Normal-Betrachter
> vergleicht – alles, was ich behaupte, ist, dass auch der
> Otto-Normal-Betrachter Kunst erfahren kann, und ich behaupte weiter,
> z. B. auch anhand dieses Flaschentrockners. Die Zusammenhänge in der
> Kunstgeschichte können (oder dürfen m. E.) nur ein „Plus" sein. Wenn
> man dieses „Plus" nun auf den allerersten Rang erhebt bei der
> Kunstbetrachtung, schließt man einen Großteil Menschen aus. Das ist
> das Eine. Für mich gilt aber genauso: Otto-Normal-Betrachter sollte
> sich ruhig mit den Zusammenhängen befassen; ob er sich die anliest,
> sich was erzählen lässt... sie bereichern ihn selbstverständlich! Und
> er lernt etwas zur Kunstgeschichte und Kunsttheorie des 20. und 21.
> Jahrhunderts. Vielleicht sieht er danach alles noch klarer, vielleicht
> verschließt sich die Sache ihm wieder... vielleicht möchte er die
> Regeln dieses Fachbetriebs kennenlernen und studiert demnächst „Kunst"...
>
> ... womit sich für mich der Gedanken-Kreis schließt – und das ist das
> Andere – : für diesen demnächst studierten Jemand wird es vielleicht
> – oder sogar mit großer Wahrscheinlichkeit – nie wieder ein „einfach
> so" geben. Das ist vollkommen in Ordnung. Es sollte ihm nur bewusst
> sein, DASS er fortan durch eine Brille sieht, die er so einfach nicht
> mehr ablegen kann. Die Brille: das sind die menschengemachten Regeln
> des „Systems Kunst", die des etablierten Kunstbetriebes.
>
>
> Weißt Du was? Mir hat einfach noch niemand schlüssig erklären können –
> übrigens auch nicht mit Hilfe der Kunstgeschichte und Kunsttheorie des
> 20. und 21. Jahrhunderts – warum das eine in den Kunstkanon
> aufgenommen wird und ein anderes nicht... und wichtig ist der Satzteil
> in den Spiegelstrichen. Eine streitbare Etablierte hat mir einmal
> geantwortet, dass genau das eben das Geheimnis und damit eben Kunst
> sei, dass man das nicht könne, eine andere ebenso streitbare
> Etablierte hätte gerne einen eindeutigeren Kriterienkatalog, damit
> eben nicht „alles Kunst sein darf, was Kunst sein soll". Sogar die im
> selben Boot streiten, und solange sie auf diese Art streiten, kann ich
> meine selbstgewählte Abseits-Haltung auch schlecht aufgeben... ich
> glaube einfach nicht an dieses aktuelle „System Kunst", vielleicht –
> obwohl der Vergleich natürlich hinkt – wie ich nicht an eine bestimmte
> politische Partei „glaube". Wenn mir also jemand sagt ‚studier's halt,
> dann verstehst Du's auch', dann ist das so, als würde ich in eine
> Partei eintreten. Selbstverständlich verstehe ich dann irgendwann das
> Parteibuch, nur: gehe ich fälschlicherweise von einer
> Allgemeingültigkeit aus, nur, weil alles so nett schlüssig ist, komme
> ich trotzdem in Teufels Küche. Es funktioniert nur innerhalb des
> geschlossenen Systems.
>
> Und „Kunst" sollte kein „geschlossenes System" sein.
>
>
>
>
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