Received 25. 10. 2008 -- 16:54 from
from8. Frankfurter Gegenuni: Spatial (De)Constructions
Zur freundlichen Beachtung:
Am Montag, 27.10.08 beginnt die 8. Frankfurter
Gegenuni im Institut für vergleichende Irrelevanz.
Montag 27.10. 19h: Eröffnungsveranstaltung
ab 21h30 (pünktlich) Eröffnungskonzert mit Git Some
(ex-planes mistaken for stars, DENVER,USA); JOKARI
(french-fromage-punk) und MYSELF (da geht was mit
saxophon)
Das komplette Programm mit Einführungen, Workshops,
Abendveranstaltungen etc. findet ihr hier:
http://irrelevanz.myblog.de/irrelevanz/page/31257005/Frankfurter-Gegen-Unie
Im folgenden der Aufruf.
Spatial (De)constructions – Stadträume zwischen
Dimensionierung, Umbau und Aneignung.
Aufruf zur 8. Frankfurter GegenUni am Institut f.
vergl. Irrelevanz, Frankfurt am Main, vom 27.10. –
9.11.2008.
»Il y a donc des pays sans lieu et des histoires sans
chronologie; des cités, des planètes, des continents,
des univers, dont il serait bien impossible de relever
la trace sur aucune carte ni dans aucun ciel, tout
simplement parce-qu'ils n'appartiennent à aucun
espace. Sans doute ces cites, ces continents, ces
planètes sont-ils nés, comme on dit, dans la tête des
hommes, ou, à vrai dire, dans l'interstice de leurs
mots, dans l'épaisseur de leurs récits, ou encore dans
le lieu sans lieu de leurs rêves, dans le vide de
leurs coeurs; bref, c'est la douceur des utopies.«
(Michel Foucault, 1966)
IG-Farben-Campus.
2014, so plant die Leitung der Universität, wird der
Umzug auf den IG Farben Campus abgeschlossen sein. Die
letzten Kisten werden ein- und nicht nicht einmal zwei
Kilometer entfernt wieder ausgepackt werden. Dabei
wird, wie es so ist, allerlei unnützer Kram nicht
einmal mitgenommen werden oder spätestens auf der
Strecke verlorengehen. Doch nicht nur unliebsame Lehr-
und Forschungsinhalte, Freiheiten im Studium, etc.
werden aussortiert. Auch die Stadtteiluniversität wird
passé sein und in einem zwar weitläufigen, jedoch
durch allerlei Grenzziehungen räumlich eingefassten
Campus verdichtet. Die räumliche Dimensionierung
bleibt nicht ohne Effekt auf das Subjekt. Das Um-bauen
von Raum, Architektur, ist Materialisierung
hegemonialer Ideologien. Es soll im Falle des IGF eine
Athmosphäre schaffen in der der universitäre Alltag
der Studierenden von ihrem restlichen Alltag
abgeschnitten wird, in der die Erfahrungen des
Studiums keinen anderen Belang haben als als Glied
einer Wertschöpfungskette zu fungieren, die dem
schließendlichen Einbau eines flexibilisierten
Arbeitssubjekts in den Gesamtzusammenhang dient.
Neben den allseits präsenten Emblemen der
Warenproduktion, in Gestalt der Labels der Sponsoren
der Stiftungsuniversität, strukturiert der
»Monumentale Tummelplatz der Reflexion« (Steinberg)
qua Architektur das Verhalten derer, die ihn betreten
und benutzen (dürfen). So schafft die Disziplinierung
qua Dimensionierung der Bauten einen
Objektivitätsüberhang, gegen den es immer schwerer
wird anzugehen.
Kreative Zentren: Nennt es ruhig Arbeit.
Der Umbau der Universität ist in der zielgerichteten
Veränderung des städtischen Raumes lediglich ein Item
unter vielen. Durch die internationale Konkurrenz der
Metropolen werden zahlreiche (in der jeweiligen Stadt)
abgeschottete »Städte des Wissens« (Dräger, ehem.
Wissenschaftssenator Hamburgs) entstehen in denen dies
Wissen ausnahmslos bereits als Ware produziert wird.
Der Kontext der Univiersität greift aber mehr noch in
die Veränderung der Stadt ein als durch den Bau der
Campi. Stadtteile werden als chic ausgerufen,
bezahlbarer Wohnraum für Studierende und
Atelierflächen für Künstler_innen feilgeboten,
avantgardistische Partylocations schaffen es in die
Hochglanzmagazine.
Das Zauberwort »Kreativität« bestimmt die Diskurse
seit längerem. Eine Stadt von Welt benötigt nämlich
auch so etwas wie kreative Zentren, den Chic der von
ihnen ausgeht.
Mainstream- und Avantgardekulturen unterhalten ein
wechselseitiges Verhältnis (Mainstream der
Minderheiten) zueinander. Der relevante Operator im
Umbauprozess ist dabei eine sogenannte »Gebildete
Avantgarde« ( educated vanguard ), die zur Hoch- und
Mainstreamkultur, wie auch zu den eigentlichen
Subkulturen gleichwertige und allgemein akzeptierte
Beziehungen eingehen kann. In ihr tummeln sich ausser
Studierenden Künstler_innen, die idR. zumindest einen
akademischen Bezug haben, wie junge (Underground)Mode-
und Filmmacher_innen, bildende Künstler_innen, etc.,
die ja allesamt häufig mit dem Pejorativ
»Kunsthochschüler_innen« gelabelt werden.
Aus verschiedenen Blickwinkeln bietet sich diese
educated vanguard als »Türöffner« an, öffentlich
häufig auch umstrittene Umbaumaßnamen in der Stadt
vorzubereiten. U.a. dadurch, daß der Antagonismus quer
zu ihr verläuft: diese Menschen leben und arbeiten
idR. in mehr oder weniger prekären Verhältnissen,
ihnen wird aber öffentlich, im Gegensatz zu anderen
Milieus der Aufstieg in eine bürgerliche Existenz
nicht nur zugetraut sondern es wird sicher davon
ausgegangen.
Der Ausbau einer szenigen Infrastruktur macht den
Stadtteil auch für die sog. new urban middleclass
interessant, die jugendlich und hip sein will und sich
gegelentlich auch mal auf illegalen Parties in
Abrißhäusern einfindet wenn diese zB. als »Kunst«
gelabelt sind. Schliesslich, so die Theorie, werden
sich auch diese kaufkräftigen, und daher für die Stadt
bedeutsamen Milieus nach und nach in den Szenevierteln
niederlassen, und die Strukturen nach ihren
Bedürfnissen verändern.
Durch die Deregulierung des Wirtschaftsraumes Stadt
liegen vormals industriell oder staatlich genutzte
Gebäudekomplexe und Flächen brach, die in der Hoffnung
eines Investitionsbooms in das Eigentum der Stadt
überführt wurden. Der Boom blieb aus, und schliesslich
wurde damit begonnen diese Räume zur »Zwischennutzung«
freizugeben (zB. ehemaliges Polizeipräsidium). Die
Zwischennutzung bedient den Bedarf an anderen Räumen,
befriedet deren Einforder_innen (die diese Räume auch
besetzen könnten) und stellt ein Vetragsverhältnis
zwischen Stadt und Avantgardekulturen her.
Praxis: Aneignung.
Aus dem Wissen über unsere Verortung im Umbauprozess
der Stadt, ist es aber möglich dort Interferenzen und
Störgeräusche zu erzeugen, durch Aneignung und Ausbau
der Nischen und Residuen der Universität und der
Stadt.
Stadträume werden unter Funktionalitätskriterien
dimensioniert und untereinader hierarchisiert. Dabei
werden bisweilen auch unterschiedlicher »Rechtsräume«
konstruiert, sog. »gefährliche Orte« in denen
polizeiliche Sonderbefugnisse gelten. Das führt dazu,
dass in bestimmten städtischen Räumen alle anderen als
die vorgesehenen Funktionsweisen ausgeschlossen
werden. So wird zB. die Innenstadt den Konsument_innen
vorbehalten und jugendliche Subkulturen, die diese
Räume als Reproduktionsraum nutzen (zB. die
Skater_innen an der Hauptwache), ausgeschlossen. Das
Ausschliessen »unerwünschter« Verhaltensweisen
geschieht nicht nur aufgrund der Rechtslage (wie zB.
Ruhestörung), sondern anhand von Befindlichkeiten, wie
die Sauberkeit von Straßen und Plätzen. Diese reinen
Funktionsräume lassen sich real nicht herstellen, dh.
sie werden immer auch mehr oder weniger verhandelbar
sein und Interventionsmöglichkeiten von politischer
Praxis bieten. Die Heterotopie ist dabei der Ort des
Anderen, das ausgeschlossen und zugleich miteinbezogen
wird (Lefèbvre).
Aneignung bezieht sich aber nicht nur auf eine
materielle Ebene der Räume, Häuser. etc., sondern auch
auf eine immaterielle der Lebensstile, Styles und
Begehren. Letztere sind auch dem Modeprinzip
unterworfen, und die Mode, so Walter Benjamin, setzt
das Feigenblatt an die Stelle an, an der sich die
Gesellschaft die revolutionäre Blöße gibt. Es verdeckt
einerseits diese Stelle und zeigt sie andererseits an.
Aneignungsapraxis kann sich dabei sinnvoll auch
»Praktiken« der Kulturindustrie bedienen, in der
»Kreativität« auch als Amüsierware produziert und
getauscht wird.
»Die Architektur bot von jeher den Prototyp eines
Kunstwerks, dessen Rezeption in der Zerstreuung und
durch das Kollektivum erfolgt« (Benjamin). Zersteuung
ist nach Adorno/Horkheimer Movens kulturindustrieller
Produktion. Diese wird durch Irritationen im Stadtraum
gestört die ein »Hinübergleiten aus den normalen
Räumen in die noch nicht durchmessenen« (Kracauer)
räumlich und subjektivistisch ermöglichen.
Bei der nunmehr bereits 8. Frankfurter Gegen-Uni
wollen wir diese und andere Themen mit euch in
zahlreichen Veranstaltungen und Workshops diskutieren,
bearbeiten und Möglichkeiten kritischer Intervention
in Universität und Stadt erörtern. Das Programm, das
darüber hinaus durch Ausstellungen, Filmabende und
eine Party komplettiert wird, könnt ihr demnächst
einsehen unter:
http://irrelevanz.myblog.de
--
institut f. vergleichende irrelevanz (ivi)
kettenhofweg 130, 60325 frankfurt a/main.
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