Received 05. 03. 2009 -- 13:15 from
fromRe: Betrifft: Zerstoerung und Moral-Apostel?
Hello again,
Hr. Beck den ich als "Pate" dieser Seite bezeichnen möchte, hat oft gute und eingängige Ideen, dann wieder diskutable, aber weiterführende Ansätze. Oder sie sind wie in seinem Text von heute, auf eine sehr spezielle Art avantgardistisch, aber dazu dann ein eigener Text. Jedoch immer bedenkens-wert.
So spricht er von Destruktions-kunst sowie Attentaten auf Kunst, eine recht vielschichtige Sichtweise. Auch die Anmerkung zu W. Benjamin in der Zerstörung der Aura ist recht packend, weil dessen Analyse der virtuellen Zerstörung vielleicht auch frühes Indiz für eine Form von aktuelle Kulturzerstörung war, die sich heute auf andere Medien und Prozesse in der Gesellschaft generell ausgeweitet hat. Siehe auch "Neubescheibung von Destruktion seit Nietzsche", ...
Dies hat sicher ebenso mit fatalen, rein marktwirtschaftlich orientierten, zwanghaften Abläufen zu tun, die über Moden und den Kult des "Neuen" immerfort versuchen, ältere Dinge und Phänomene dauerhaft zu entwerten.
Waren in früheren Epochen Falten und Gebrauchspatina etwa interessant und alte Möbel und Häuser gewannnen mit den ihnen anhängenden Zeitspuren an Wert-Schätzung, so bedeutet heute schon ein Kratzer "Wertverlust", eine Macke ein Drama, alles muss neu hier auf den Tisch, sogleich! Alte Fassaden sind unmöglich, da müssen "neue Fenster" rein, etc.
Zitat: "Schmeißen sie das bitte sofort weg, denn das kann man nicht mehr reparieren, ..."
Wie wäre es mit einer Abwrackprämie für "alte Kunst", Hr. Beck?
Ich finde so wie so, das in unserer Gesellschaft das markige und zerstörerische überbewertet, und das Liebevolle, Anteilnehmende als alleinige & "weltfremde Idylle" zu sehr ausgeklammert wird, obwohl sich danach eigentlich viele Menschen latent sehnen.
Auch interessant in diesem Zusammenhang zu betrachten, wie der auf Schnelligkeit und Extreme hin inszeniert Jugendkult immer noch aktuell greift, obwohl die Gesellschaft eigentlich im Schnitt altert und eine andere Werte Priorität benötigt?
Die positive Wertschätzung des Alterungsprozesses müsste dazu erst einmal jede/r an sich selber, am eigene Körper wahrnehmen und analysieren?
Wiener Aktionisten, die ich zitiere, "arbeiteten" u.a mit getöteten Tieren und lebten eine angeblich archaische orientierte Dimension im Menschen aus. Mir erscheint diese wie das Abfeiern der Blutwurst in einer Metzgerei und ich kann darin nichts Positives oder Konstruktives entdecken. Gut, hier wäre in diesem Zusammenhang, anstatt "auch", eher "vermehrt" zu setzen gewesen.
Der Link im letzten Posting ermöglicht ein andere Blickrichtung, ein interessantes Beuys Zitat ist ebenfalls damit verbunden.
Von Hanns Dieter Hüsch gibt es ein hübsches Zitat zur Kunst, welches mir aber teilweise entfallen ist,..:
"Ich möchte eine Kunst die so unendlich alt ist, daß sie wie neu erscheint, ....." Ich suche danach. Nach dem Zitat.
...
----- Original Message -----
From: Sabine Pint
To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de
Sent: Wednesday, March 04, 2009 2:45 PM
Subject: [thing-frankfurt] Betrifft: Zerstoerung und Moral-Apostel?
Hallo!
Ich kann schon wieder ganz viel unterschreiben, und zu dem anderen habe ich Fragen... wo soll ich beginnen...?
Am besten oben ;-) .
Inwiefern ist Herr Becks Ansatz "bedenkenswert"? Im wahrsten Wortsinne, also wert, ihn zu bedenken, oder hast Du Bedenken, was seinen Ansatz angeht...? Mir fehlte wie gesagt nur der bewusste menschliche Eingriff beim Begriff des "Wandels"...
dann Dein 2. Absatz: Du schreibst "was auch einen sehr destruktiven Eindruck bei mir hinterlassen hat" ... - wieso "auch"? Die Schießbilder sind doch nicht in dem Sinne destruktiv...?
Den Link muss ich mir noch angucken....... dazu später etwas.
Dass nichts zerstört werden kann, was nicht vorher erschaffen war, ubterschreibe ich wieder - das ist sicher wahr. Obwohl ich "erschaffen" jetzt nicht im religiösen, anti-darwinistischen Sinne sehe...
und ich finde, dass da die Grenze ist, wo Leben zerstört wird --- immer!
Deine letzte Frage ist interessant; da überlege ich länger und melde mich dazu wieder!
Bis demnächst, herzliche Grüße,
Sabine
--- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat "Churchjard"
>
> Hallo Sabine,
>
> den Ansatz von Hrn. Beck habe ich bereits gelesen, er erscheint mir ebenso interessant wie bedenkenswert.
>
> Zerstörung in der Kunst gibt es öfter, hast du ja bereits ebenfalls schon angemerkt (?) z.B. gewisse Fluxus Tendenzen.
> Ich kann mich ebenfalls an die explodierende Maschinen und Schieß-Bild-Aktionen "erinnern", die Jean Tinguely wie Nikki de St. Phalle initiiert haben. Oder was auch einen sehr destruktiven Eindruck bei mir hinterlassen hat, waren einige "Arbeiten" der Wiener Aktionisten, wie die von H. Nitsch.
>
> Zum Thema eventuell passend bin ich auf eine Seite gestoßen, von einem Kunstschaffenden mit Namen "IGADIM" der auch den folgenden, interessanten Ansatz vertritt:
>
> "Schütz die Kunst vor destruktiven Menschen."
>
> http://www.igadim.de/index.php?page=igm_schutzderkunst&focus=&chosen=
>
> Grundsätzlich möchte ich die These jedoch aufrecht erhalten, das nichts zerstört werden kann, was nicht auf die eine oder andere "Art" vorher geschaffen worden ist. Zerstörung sich daher immer auf etwas beziehen muss, was eine kreative Vor-Geschichte hat. Das nun Zerstörung auch einen Prozess beschreiben kann, der kreative Ansätze beinhaltet und durch den ebenso Wandlungen vollzogen werden, ist sicher denkbar.
> Gewisse religiöse Strömungen, wie der Buddhismus ziehen übrigens die ihnen inwendige Kraft auch aus der Folgerung, dass etwas was nicht geschaffen wurde, das Nirvana etwa, auch nicht zerstört werden kann. Irgendwie beruhigend, finde ich.
>
> Zerstörung in der Kunst ist für mich vorstellbar, nur halte ich es nicht für ratsam, irgendeine Form von Leben daraufhin zu zerstören. Besonders auch da wir einer Lebensform anzugehören scheinen, die sich möglicherweise noch auf dem Weg befindet dahin, sich gänzlich selber wie ihre auch positiv wirksamen Potentiale zu erkennen.
>
> Ich frage mich ebenso, ob der Begriff das Tun, den "destruktiven" Eingriff irgendwie einzugrenzen vermag und was wir damit gewinnen (können)?
> ....
>
>
>
>
> ----- Original Message -----
> From: Sabine Pint
> To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de
> Sent: Tuesday, March 03, 2009 10:27 AM
> Subject: [thing-frankfurt] Betrifft: Zerstoerung und Moral-Apostel?
>
>
> Hallo Churchjard,
>
> soll ich auch wieder "Sie" sagen ;-/) ... ich duze hier ganz
> ungeniert, weil ich in Jahren gelernt (und akzeptiert) habe, dass das
> unter Kreativschaffenden so Usus ist; ich selbst bin von Hause aus
> auch ein "Siezer". Für diese Mail wähle ich die Form der eleganten
> Umschiffung ;-)) ...
>
> also: ich gehe konform, dass "Zerstörung" nicht "prioritär
> menschheitsbestimmend" angesehen werden sollte, aber ich würde
> manchmal auch einen positiven Nutzen eben auch nicht ausschließen. Und
> manchmal - eben in der Kunst - IST die Zerstörung SELBST das
> Konstruktive (um nicht "Produktive" sagen zu müssen, obwohl selbst das
> in meinen Augen kein Widerspruch wäre...).
>
> Der Begriff kann rein destruktiv verstanden werden, auch konstruktiv,
> und er kann definiert werden.
>
> Auch für mich gibt es Zerstörung, die man sich m. E. nicht auf die
> kulturelle Fahne schreiben sollte... für die man sich sogar schämen
> muss... --- aber solche Zerstörung gibt es eben nicht nur...
>
> vielleicht müsste man für die Art Zerstörung, die ich jetzt meine,
> einfach ein passenderes Wort wählen, und "Wandel" war doch ein
> Vorschlag ;-) . Bei "Wandel" fehlte mir nur das Moment des
> menschlichen (zerstörerischen...?) Eingriffs, aber selbst das könnte
> man durch eine Definition ja voraussetzen... schwierig %-/) ...
>
> viele Grüße,
>
> Sabine
>
> --- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat "Churchjard"
> geschrieben:
> >
> > Hallo Sabine Pint,
> >
> > vielen Dank für die freundliche Rezeption meiner Ansätze zum Thema.
> >
> > Eine Definitionsfrage, meinen sie? Also ein Selektonskriterium?
> >
> > Mir geht es auch darum, "Zerstörung" nicht als kulturell produktiven
> und prioritär menschheitsbestimmenden, unausweichlichen Ansatz stehen
> zu lassen, so unhinterfragt!?
> >
> >
> > ...
> >
> > ----- Original Message -----
> > From: Sabine Pint
> > To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de
> > Sent: Friday, February 27, 2009 5:37 PM
> > Subject: [thing-frankfurt] Betrifft: Zerstoerung und Moral
> >
> >
> > Hallo Stefan, hallo allen anderen,
> >
> > genau das habe ich gemeint mit
> >
> > "Liegt es vielleicht am BEGRIFF "Zerstörung", dass Churchyard (der
> > wunderbar menschlich und sympathisch schreibt für meine Begriffe
> > übrigens :-) ) diesen in dem Zusammenhang so ablehnt...?"
> >
> > Es ist mal wieder eine Definitionsfrage, oder nicht..?
> >
> > Viele Grüße und schonmal ein schönes Wochenende,
> >
> > Sabine
> >
> > --- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat Stefan Beck
> > geschrieben:
> > >
> > > Ich finde den Begriff der Zerstörung nur in wenigen
> Ausnahmefällen für
> > > brauchbar.
> > >
> > > Ich würde lieber von Wandel sprechen.
> > >
> > > Ab 1. April haben wir einen neuen Direktor des Frankfurter
> > Kunstvereins,
> > > Holger Kube Ventura.
> > >
> > > Wie wird sich der Kunstverein wandeln? Welchen Wandel erwarten
> wir von
> > > Thing Frankfurt von Holger Kube Ventura?
> > >
> > >
> > > >> Bedenkt aber all die Arbeit!
> > > > Durch vieles schon bestehende wird nicht zuviel moeglichkeit
> > > > eingeschraenkt?
> > > > Aus menschlicher perspektive wuerde ich sagen:
> > > > Ersetzt was sonst zusammenbricht oder explodiert
> > > > (oder boesen schimmel entwickelt)
> > > >
> > >
> > >
> > >
> > > * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
> > > * Gib Thing Frankfurt Dein Gesicht:
> > > * http://www.thing-frankfurt.de/home/yourface/
> > > * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
> > >
> > > --
> > >
> > >
> > > The Thing Frankfurt
> > > http://www.thing-frankfurt.de
> > >
> > > * * *
> > >
> > > Stefan Beck
> > > Hohenstaufenstr. 8
> > > 60327 Frankfurt
> > > T. ++49-(0)69 - 741 02 10
> > >
> > > Thing Frankfurt Mailinglist:
> > > mailto:thing-frankfurt-subscribe [at] yahoogroups [dot] de
> > >
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