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[thing-group] Received 01. 02. 2011 -- 17:17 from from

Re: Betrifft: Kunst ist Betrug

Geehrter Hr.Beck,

etwas später aber dann doch noch:

Wo reden wir aneinander vorbei?

Seit wann ist "Kunst" ein Selbstzweck, einer der kaum oder nur noch reduzierte, als Deko gedachte Verbindungen und entfernten Bezüge zum menschlichen Sein und zur menschlichen Lebens-Existenz ermöglicht und herstellt,..?.
Alle Formen und "Arten" der Kunst stehen doch in direktem Kontakt mit der Lebendigkeit der Menschen.
Kunst ist lebendiger Ausdruck einer Palette verschiedener Möglichkeiten, aktiv und produktiv an der Mitgestaltung und Sinngebung unserer Lebensräume Teil zu nehmen/ zu haben. Denn darin, in einer konkreten Umsetzung und Teilhabe, am Leben und der Gestaltung der Lebensumstände, entsteht doch erst eine immanente, auch politische Wirkung, in aktiver Teilhabe an unseren Lebenswelten, denen wir in konkreter, demokratischer Mitbestimmung eine entsprechende uns ansprechende lebendige Form geben.
Kunst ist keine dem Menschen äusserliche Warenform, keine weitere, Waren-bezogene, kommerziell wie industriell ausgerichtete Herstellungsart und industrielles Produktionsmittel, eine Produktionsweise, die sich von nicht-produzierenden Menschen entfernt hat. Eine Art und Weise, die nur sinnverzerrend- dekorative, serielle Produkte/Objekte zu erstellen hilft, die aus meist niederen Beweggründen und reiner Profitabsicht entstanden sind, um ebenso schnell konsumiert zu werden, wie alle andere Menschen-fremde Waren, die nur im andauernden Konsum ihren "Zweck" zu erfüllen haben.
Gelebte Kunst ist ähnlich wie Wissenschaft (in positiver und Menschheits-förderlicher Ausprägung und nicht in zerstörerischer und verdummender, Herrschafts-zuträglicher Absicht,..) Ausdruck einer Produktivkraft, die gelebt wird, um die eigene Wahrnehmung zu schulen, sie zu befördern und um das persönliche, kreative, produktive Potential zu entdecken, zu erweitern und freizulegen.
Kunst lebt in der Welt ,um uns zu helfen diese unsere Existenz uns ein Stück verständlicher zu machen, sie soll helfen diese Welt mit-zu-gestalten und persönliche, menschlich-bewusste Autonomie und Freiheit darin zu leben und entstehen zu lassen. Kunst ist eher anzusehen, als eine erhebliche/wichtige Möglichkeit, die persönliche, individuelle Lebenskraft kennen zu lernen und diese Kraft als Möglichkeit der Selbsterfahrung zu bewahren, sie daher nicht an andere, höhere, fremde Instanzen, Repräsent-Tanten abzugeben und fremd- zu delegieren

Kunst ist als befreiendes, schöpferisches, lebenswichtiges Element, daher wie Luft und Wasser grundsätzlich frei von marktwirtschaftlichen Intentionen zu halten. Sie ist Ausdruck produktiver Lebenskraft und Lebenswillens und darin verbunden mit Gefühlswelten der Lebewesen, verlinkt mit der gesamten wieder zu entdeckenden Fülle menschlicher Wahrnehmung und zwingend an vielfältigen, emotionalen Aspekten des Seins und der Welt-Wahrnehmung orientiert.

Was anderen und mir immer mehr missfällt ist , das Kunst als Begriff und wichtiger lebendiger Lebens-erhaltender, Faktor und Lebensinhalt allzu oft verallgemeinernd und einseitig miteinbezogen wird, in allgemein herrschenden und feudale Herrschaft stützende, vereinfachende, ent-menschlichende, Wirtschafts-orientierte Verwertungskonstrukte, die im Rahmen einer blinden und einseitig zerstörerisch- entwertenden Marktwirtschaft , Kunst zum unfreien Markt-Vehikel machen, zu einer Ware verkommen lassen, die ebenso einer reduziereten, Zweck- ökonomischen Verwertungsabsicht folgt und mithilft deren reduzierte Logik und Denkweise zu unterstützen.

Kunst wird als Begriff, Lebensweise und in ihrem Ausdruck zu oft, fern von ihren befreienden, lebendigen Aspekten und ihrem Potential, in Herrschafts- und Verwertungsregionen mit-hinein gezogen. In eine Warenwelt, die sich der Kunst bedient als ebensolches "Produkt" ,sie dort eindimensional zur Ware verniedlicht und dem monetär verwalteten Zyklus unterordnet. Dieser Vital-reduzierten und ausbeutenden Marktwirtschaft, der sie gefällig, unterwürfig und dekorativ beflissen. zu dienen hat
Und nur jene, welche erfolgreich in der kommerziellen Verwertung ihrer Kunstwerke sind, werden als Macher , als Pop-ikonen abgefeiert, ihr Wert verächtlich nur als Marktwert gesehen, nur an dem Profit gemessen und allein darauf reduziert, der mit ihren Produktionen zu Erhöhung von Geldgewinn erzielt werden kann.

Stars der Popmusik sind die entsprechend verzerrten Beispiele, wie auch Schauspieler, die sich dem Verwertungsinteressen komplett unterordnen, wie alle nur an oberflächlicher Verwertung interessierten "Künstler", die darin ihren narzisstischen Trieben folgend, sich ihrer Verwertung als Kunstobjekt im Auftrag fremder, auch verdummend angelegter Marktinteressen komplett unterordnen.

In dieser Unterordnung unter Kunst- und Lebens fremde, einseitig fremd-bestimmte, ökonomische Strukturen, werden die befreienden und fundamental lebenswichtigen Aspekte und Potentialitäten der Kunst allzu gerne völlig vergessen und ausgeklammert.
Für viele Menschen ist Kunst nur noch eine weitere Ware, eine weitere Attraktion, ein weiterer Spass in ihrem fremd-programmierten Leben, von aussen über-inszeniert. Kunst ist ein weiteres, ihnen fremdes Objekt, ein ebenso austauschbares Vehikel das fremdbestimmte, äussere Verwertungsabsichten und Intentionen befördert, wie alle sonstigen, Markt-gängigen Produkte dieser Welt.

Das Kunst hingegen Ausdruck einer freien, schöpferischen Willenskraft ist (die ebenso entwickelt und freigesetzt werden müsste und sein sollte,) geht im marktwirtschaftlichen Verwertungs-Zusammenhang verloren. Das Kunst im eigentlichen Sinne, Ausdruck der Selbstbefreiung der Individuen sein kann, eine erhebliche und wichtige Möglichkeit darstellt, an unseren Lebensräume persönlich-kreativ gestalterisch zu partizipieren, in Eigen-Leistung und gemäß eigenen Vorstellungen, wird dabei gerne und oft nachdrücklich ignoriert und ausgeklammert.

Entfremdung entsteht und existiert in dieser einseitigen Art und Weise des Markt-konformen Umgangs mit Kunst, indem darin die frei produzierte und kreative Leistung von Menschen zur Ware transformiert, als Marktwert inszeniert, von ihrer ursprünglicher Intention abstrahiert, auf Geldwert reduziert wird, also ihre befreiende Wirkung in Entstehung und Produktion, geleugnet und vernichtet wird.
Befreite Kunst kann und sollte befreien, in schöpferischer Mit-Tätigkeit an dieser Welt, und in ihrer frei zugänglichen, erfahrbare Präsenz, darin zur allgemeinen Erkenntnis beitragen und mithelfen, lebendige Erkenntnisfähigkeit zu verbreiten, die dringend zur Selbstbefreiung in einer Welt beitragen muss, welche einseitig die Erfahrungsmöglichkeiten der Menschen immer weiter reduziert und einschränkt. und deren Lebendigkeit nur auf kommerziell reproduzierte Ziele hin lenkt.

Für viele "Nicht Künstler" ist Kunst daher nur noch Ware, wie andere Waren, die es zu konsumieren gilt, so wie andere, industriell gefertigte Produkte oder jedwede fremd-gestalteten Designobjekte.
Gerade diese Entwicklung wollte Beuys in seinem befreienden Aufruf "jede/r ist ein Künstler" aufhalten und/oder umkehren. Beuys wollte dazu beitragen, sich darauf zurück zu besinnen, das in jedem Menschen initial schöpferische Kräfte angelegt und vorhanden sind, die Menschen als aktive Kunst Schaffende (und nicht als der Warenwirtschaft ausgelieferten Konsumenten) erst zu einem menschlichen Wesen werden lassen. Einem Lebewesen das lebendig und im waren gestalterischen Sinne dazu befähigt ist, Sein und Leben erst als solches in der Kunst zu entdecken.
Eine befreite, mündige, voll bewusste Lebens-Haltung wäre durch Kunst zu erreichen und anzustreben, eine Lebensweise, die uns immer weiter abgesprochen wird, in einer Konsumgesellschaft, deren höchster Kreativakt nur noch darin besteht, Geld zu erwerben, es zu hart "verdienen", um es dann auszugeben und damit zyklisch, allerlei Dinge, wie auch Kunst zu erwerben, bis alle Lebens-Ressourcen dereinst verbraucht sind.

"Kunst ist keine abgetrennte Sphäre des schönen und anderen Seins", eine abgespaltene Region zu der Menschen nur äusserlich, als von ihrer Kreativität entfremdete Konsumenten Zutritt haben und die von ihnen entfernt, abgetrennt und fremd-verwaltet wird. Kunst ist keine Sphäre die nur noch ausserhalb unserer Einflussphäre existiert, wie hinter Glas verborgen, in unbelebten, fremden Räumen und abgeschlossenen fremd-verwalteten Zonen, wie Museen und Ateliers und nur dort ihren Ort hat.
Nein, Kunst ist als lebendiger, kreativer, produktiver Anteil am Lebensprozess zu sehen, eine offene, aktive Zone der produktiven Selbstbeteiligung, einer konkreten Anteilnahme am Spektrum menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten und Fähigkeiten darin, einer aktiven Beteiligung an der Formgebung und Gestaltung unseres gesamten Lebens-Umfelds- und unserer gemeinsamen Mit-Welt.

Kunst ist produktive Kraft und kein Produktionsmittel der Warenwirtschaft.



rtz


----- Original Message -----
From: Stefan Beck
To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot]10 de
Sent: Thursday, January 27, 2011 3:06 PM
Subject: Re: [thing-frankfurt] Betrifft: Kunst ist Betrug



Lieber Brentis,
ich fürchte, wir reden aneinander vorbei. Ausgehend von Weibel war meine
Frage, welche Begründungen sich aus der Kunst im Allgemeinen ableiten
lassen, sich mit Gegebenheiten der Wirtschaft zu beschäftigen?

Wenn die Kunst keinen Gegenstand (mehr) hat, so kann sie alles mögliche
bearbeiten. Natürlich auch die Wirtschaft.

Gibt es hingegen keine spezifischen Gründe für diesen Gegenstand?

Deine Argumentation scheint mir darauf hinauszulaufen, eine Art
Ausnahmezustand ("Zwangs-WIRTSCHAFT", "Schein-Ökonomie",
"Herrschafts-Wirtschaft", "Profit-Diktat") zu postulieren, auf den die
Kunst ebenso zwangsläufig reagieren müsse.

Besteht damit nicht die Gefahr, daß die Kunst ihre Freiheit verliert?

Wenn es durchaus notwendig sein soll, daß die Kunst kritische Distanz
zum Bestehenden wahren soll, so doch darin, daß sie sich von Zumutungen
frei hält.

Damit meine ich nicht, daß die Kunst sich in sinnfreien,
selbstbezüglichen Spielereien ergehen, sondern selbstkritisch ihr
eigenes Dasein ergründen sollte.

Eine Geschichte der materiellen Grundlagen der Kunst zum Beispiel, - das
wäre eine notwendige und segensreiche Unternehmung, die dann vielleicht
auch auf die Wirtschaft bzw. Zwangswirtschaft zurückwirken müsste.

> Hallo Hr. Beck,
>
> aber ich habe etwas gegen diese einseitige, zerstörerische und Menschen ausbeutende Zwangs-WIRTSCHAFT !
>
> Wir leben alle in einer von sogenannten "Schein-ökonomischen" Interessen fern-gelenkten Herrschafts-Wirtschaft, die einseitig versucht, alle Lebensbelange als Märkte zu identifizieren, um diese unter das Vermarktungs- und monetär ausgerichtete Profitdiktat zu zwingen.
>

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