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[thing-group] Received 02. 08. 2005 -- 01:35 from from

Re: kaufhaus adorno xyz

Hallo Herr Beck, nun mal eine einigermaßen fundierte Replik auf ihre jüngste
“Adorno" Kritik:

1. Wie soll denn das “Glück" aussehen, wie kommen sie mir (und Adorno,
...wenn ich mal so formulieren darf, ..) denn daher?

Auf jeden Fall, und das weiß jedes Kind, das 1968 schon lesen konnte,
-> nicht jenes offensichtlich falsche, auf die reine Oberfläche reduzierte
“Glück" ist gemeint, in einer Gesellschaftsform in der menschliche
Zuwendung/ Austausch auf die “blanke³ Warenform reduziert worden ist.

Daher auch “Ersatzbefriedigung", die Befriedigung grundlegender,
menschlicher Bedürfnisse von Mensch zu Mensch sollten nicht entfremdet und
zur Ware verformt, gelebt/erlebt werden!

2. Ja, auch eine wundersame Konstellation: wer derart grundlegende Kritik
mit-formuliert, muß gleich das Patentrezept gegen die Übeltäter zur Hand
haben!?
So eine Kritik formuliert sich doch immer im Kontext, bietet Ansatz für
andere, daran/ damit zu arbeiten, den Begriff auszuweiten und einzusetzen!

(Als Beispiel sei die auch damals (zu Adorno's Zeiten) schon gelebte
Rückbesinnung auf eigene “Ressourcen" genannt, eigenes Tätigsein, eigene
Produktivkraft/Kreativität. Nicht die Suche nach der hübsch zu
kapitalisierenden “Idee", die Wunder gleich, einen nenneswerten Profit aus
deren Vermarktung verspricht, ..etc.)- (E. Fromm, J. Habermas)

War Adorno, ausser in seiner Musiktheorie, denn jemals der Pragmatiker, der
sein gedachtes Werk auch umzusetzten trachtete?
So absurd es klingen mag, kritisierte er doch die 1968 existierende
“revolutionäre Aufbruchstimmung" grundsätzlich, ... fand darin kaum/keine
Übereinstimmung mit seiner “kritischen Theorie".

Konsum als abergläubische Praxis? Mag sein, aber es sei nun einfach
gestrickten Geistern nicht allzu schwer zu vermitteln, daß Konsumlust oft
eine grundsätzliche Ersatzhaltung /-handlung darstellt, die wir alle mehr
oder minder unbewußt bis halb bewußt praktizieren und nur in einer, etwa
asketisch orientierten, “Konsumverweigerung" ausgrenzen könnten.

Oder wir begrenzen sie in der Rückbesinnung auf den Austausch (nicht nur in
dessen symbolischer Form) innerhalb kleinerer/autonomer Netzwerke, gelebt im
Tauschring, oder anderen, auch substantielleren Formen der selbstbestimmten
Produktion.

Ich kann “Bio" kaufen, nicht nur aus dem Gestus des bekennenden, relativ
wohlhabenden oder pseudo-wohlmeinenden Öko-Gutmenschen heraus, der es sich
leisten kann und es“ demonstrieren³ will, derart zu “agieren".
Und davon viel und breit an seinem Lehrer-Stammtisch in der Toscana erzählt,
... sondern aus bewußter, ökologischer, dem eigenen gesundheitlichen
Wohlergehen förderlicher Erkenntnis!
Z.B. als “Vernutzer³ fleischloser Nahrungsmittel im Rahmen einer
vegetarischen Ernährung, die sich auch dahingehend ausweiten mag, keine
Produkte “tierischer Herkunft³ mehr als Bekleidung zu verwenden, etc.
(Sicher ein “teurer Spaß", wenn man es nur darauf reduzieren will.)

4. Konsum ist “Links":
Nicht erst Robert Kurz hat in seiner Kapitalismus und Designkritik, z.B.:
in: “Die Welt als Wille und Design", hervorgehoben, daß jene pseudo laissez-
faire Haltung im angeblich kritischen, linken Konsumdenken eines Diedrich
Diederichsen etwa, jegliche Transzendenz jenseits eines latent, affirmativ,
pro-kapitalistischen Denkens, vermissen lässt.

D.h.: hier wird Konsum als “links/demokratisch³ apostrophiert, der nur weil
er etwa von vermeintlichen “Linken" an z.B.: als ökologisch
identifizierbaren Artikeln ausgeübt, mit “linker " politischer und
gesellschaftskritischer Paraxis gleichgesetzt wird.

Oder schlimmer noch, erneut à la Diedrich Diederichsen, erklärt wird: “so
what", jeglicher Widerstand ist zwecklos, wir leben bereits in der schönen,
neuen und heilen Welt (siehe Adorno) und sind schon deshalb links und
kritisch, weil wir z.B.: derart schöne, etwa alternative, fairtrade Produkte
mit konsumieren dürfen, ... Politisches Handeln soll hier als auf eine reine
Konsumentenhaltung heruntertransforiert werden.
Konsum ist endlich “links³ und hip und “geil³!

Schön und passend schien mir ein anderes Adorno Zitat, bezogen auf jene
Werbung vor zwei Jahren für die damals neueste Sony-Playstation 2, in der
ein menschlicher Körper abgerundet und gelockert, beinahe die Form des
Playstation-Logos angenommen hatte:

“In der gegenwärtigen Epoche jedoch, sind die Menschen in die Technik
eingegangen, und als hätten sie ihren besseren Teil an sie vererbt, Hülsen
gleich, hinterihr zurückgeblieben." (Th. W.Adorno)


----------------->

am 26.07.2005 21:04 Uhr schrieb Stefan Beck unter stefan [at] thing-frankfurt [dot] de:

> Für alle Freunde der Frankfurter Schule, abschließend ein Adorno-Zitat:
>>
>> “Die Ersatzbefriedigung, welche die Kulturindustrie den Menschen bereitet,
>> in dem sie in ihnen das Wohlgefühl erweckt, die Welt sei in der Ordnung, die
>> sie ihnen suggerieren will, betrügt sie um das Glück, welches sie ihnen
>> vorspiegelt."
>
> Der gute Adorno mag hier durchaus recht haben. Er lässt aber zwei punkte
> offen:
>
> 1) eine glaubhafte alternative zur "ersatzbefriedigung". Wie soll denn echte
> befriedigung, oder "das glück" denn aussehen?
>
> 2) er begnügt sich mit seiner wohlfeilen kritik, wahrscheinlich in der
> annahme das phänomen mit seiner kritik angehandelt, abgekanzelt zu haben.
>
> Er bleibt bei der entlarvung der täuschung stehen. Wie ja auch schon der
> untertiel des abschnittes sagt: "aufklärung als massenbetrug".
>
> Mit Pfaller wäre aber zu vermuten, daß es sich beim konsum um eine
> abergläubische praktik handelt. Diese verschafft ihren protagonisten einen
> lustgewinn, der möglicherweise auf einer bewußt eingegangenen täuschung
> beruht. "shoppen gehn" ist ein vorgang innerhalb der 'illusion der anderen',
> der, der auf ein absehen vom eigenen selbst als prinzip betreibt. Keineswegs
> naiv.
>
> Das bewusste kaufen ("Ich kauf nur Bio"), oder die konsumverweigerung, wäre
> demnach nach Pfaller ein "bekenntnis", das unlust und schuldgefühle
> verursacht.
>
> Der konsum als abergläubische praxis ist gerade so strukturiert,
> bekenntnisse zu vermeiden, weswegen auch die abwehr solcher, wie "konsum ist
> links" oder "konsum ist demokratisch", der struktur des konsums verhaftet
> bleibt.



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