Received 15. 10. 2005 -- 09:31 from
fromRe: Bonzo hat kein Herz
stefan: bravo! du scheinst der erste ernstzunehmende (netz)künstler
zu sein, der dem bonzo (mit herz) seine kunst/schaffen verstanden hat.
ich möchte ihrem text noch anfügen, dass der gutenbergische text
ähnlich gelagert war (adäquat dem elektronischen text): mit der zeit
wurden, teils von den autoren, zum grössten teil durch die
staatsgewalt, authentifizierungs-merkmale den texten einverleibt, die
wir heute als gott gegeben auffassen. ist aber quak. die ersten
gutenbergischen texte (also die ersten massenhaft verfielvältigten
texte) stifteten ähnliche verwirrung wie heute bonzos und anderer
leute texte.
die frage, die bonzo aufwirft, und an denen claudias kläglich
scheitern, ist die: ob, und wenn ja, welche
authentifizierungsmerkmale der elektronische text haben soll. mit der
alten scheisse weitermachen, dass hast du trefflich erkannt, ist
nicht mehr möglich.
bonzo hat herz und, so betone ich: hirn!
in diesem sinne möchte ich euch alle bitten bis zum montag folgendes
buch gelesen zu haben: michael giesecke: der buchdruck in der frühen
neuzeit - eine historische fallstudie über die durchsetzung neuer
informations- und kommunikationstechnologien; suhrkamp, isbn
3-518-58003-5
Am 14.10.2005 um 23:03 schrieb Stefan Beck:
> Ein Zeichen sind wir, deutungslos, / Schmerzlos sind wir und haben
> fast /
> Die Sprache in der Fremde verloren.
> (Hölderlin, Mnemosyne)
>
> Bonzos Bearbeitungen, Verfälschungen wenn man es so nennen mag,
> adressieren ein Grundproblem des elektronischen Textes.
>
> Der elektronische Text kann sich auf keinerlei Autorität mehr berufen,
> keinerlei Authentizität mehr für sich beanspruchen.
>
> In früheren Zeiten hat man den Wahrheitsanspruch eines Textes noch an
> seine umständliche Herstellungsweise (Pinseln, Meißeln), sowie seine
> Verankerung in einem Trägermaterial binden können.
>
> Aber der elektronische Text ist ein Quecksilber, das keinerlei Grundes
> mehr bedarf, infolge dessen es dem Grundverdacht jeglicher
> Manipulation
> ausgesetzt ist. Der elektronische Text erscheint uns unbegrenzt
> manipulierbar. Wie eine Fremde, in der wir fast unsere Sprache
> verloren
> haben.
>
> Nun könnte Bonzo uns emphatisch versichern, dass er es ernst meine,
> aufrichtig an unser Wohlwollen appellieren, wir mögen ihm doch bitte
> glauben, seiner Identität Kredit gewähren.
>
> Was würde es nützen? Es bedarf wohl kaum des Hinweises auf Pishing und
> Spam, daß wir elektronischen Texten mit generellem Misstrauen
> begegnen.
>
> Am 13.10.2005 15:10 Uhr schrieb Claudia B unter b [at] inm [dot] de:
>
>
>> nicht jeder lebt nur dadurch, daß er Postings anderer verfälscht,
>> mancher macht auch wirklich selbst was und hat eine reale Idendität
>>
>
> Gerne glaube ich, träume ich, verspreche ich mich einer "realen
> Identität". Nur, wie sie unter Netzbedingungen beweisen?
>
> Die Strategie von Bonzo ist nun die folgende:
>
> Die Manipulation selbst wird in den Text aufgenommen. Indem Bonzo
> bewußt
> Texte manipuliert, sichert er sich die Herrschaft über die
> Manipulation
> und schafft sich somit eine (negative) Identität als Manipulierer.
>
> Der veränderte, verfälschte Text wird somit auf paradoxe Weise wahr,
> authorisiert, in offensichtlich negativer Absetzung von dem der
> Manipulation verdächtigten Original. Denn eine Fälschung nochmals zu
> fälschen macht keinen Sinn, da in infiniten Regreß übergehend.
>
> In ähnlicher Weise verfahren Appropriations Künstlerinnen wie Cindy
> Sherman oder Sherri Levine, indem sie die Grundlosigkeit des
> persönlichen Erinnerungsfotos durch bewußte Manipulation aufheben, und
> dadurch ihr, der Erinnerung, neue Berechtigung erteilen.
>
> Wie Nietzsche die Kunst, als da, wo sie offen log, für einzig wahr
> pries.
>
> Bonzo hat ein Herz.
>
>
>
> --
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