Received 10. 02. 2005 -- 23:28 from
fromRe: Fisch
Am 08.02.2005 um 16:58 schrieb Stefan Beck:
>
>> Einheitsstipendium der Hessischen Kulturstiftung
>
> Haben Sie vielleicht noch mehr informationen darüber?
Institution Nr.7082
Hessische Kulturstiftung
Zweck der Stiftung ist die einheitliche Fšrderung und Bewahrung von
Kunst und Kultur im Lande Hessen. Ihr obliegt insbesondere die
Unterstützung von Museen, KuratorInnen und Archiven durch den Erwerb
und die Sicherung besonders wertvoller Kulturgüter, Kunstobjekte und
Sammlungen und mit herausragender Bedeutung. Sie kann darŸber hinaus
bedeutsame Vorhaben der Dokumentation und PrŠsentation von Kunst und
Kunstgeschichte fšrdern, soweit sie von besonderem Interesse sind,
sowie besondere Aufgaben künstlerischer Nachwuchsfšrderung wahrnehmen.
Sitz: Rheinstra§e 23-25 65185 Wiesbaden DEUTSCHLAND
Tel.: (0611) 37 06 89 Fax : (0611) 308 25 47
E-mail: info [at] hks [dot] de WWW : http://www.hks.de/
Interview mit Udo Kittelmann aus dem aktuellen Newsletter der hks:
hks Herr Kittelmann, Sie haben Ihr Reiseprojekt unter den Titel
ãGlobaler GartenÒ gestellt. Bei den Millionenmetropolen Mogadischu,
Konstanz und Offenbach, die Sie untersuchen, denkt man spontan erstmal
nicht an GŠrten. Was hat es demnach mit diesem Begriff auf sich?
Kittelmann Den Titel hatte ich selbst schon vergessen! Das kam wohl so:
Als wir im Jahr 2002 einen Musikvideoworkshop in Mogadischu gaben,
wohnten einige Teilnehmer in neuen Wohnsiedlungen, die als GŠrten
benannt waren, wie Franzšsischer Garten, Japanischer Garten,
HollŠndischer Garten oder auch einfach Schšner Garten. Zumindest wurde
es mir so Ÿbersetzt. Die Architektur der einzelnen Siedlungen richtete
sich nach den jeweiligen Themen, die Einfamilienhausreihe im
franzšsischen Garten hatte z. B. eine Versailles-Fassade, dazu gab es
passende kleine Schmuckbauwerke wie WindmŸhlen oder ein
Miniatur-Colosseum. Und jeder Garten war hoch eingezŠunt und mit
Stacheldraht und Wachpersonal gesichert. Diese belebten Kulissen
erschienen mir als perfekter Drehort und wurden zum Ausgangspunkt
meiner VorŸberlegungen zu den Reisen.
hks FŸr die drei StŠdte haben Sie eine Videotrilogie vorgesehen:
ãSwivelÒ, ãShrivelÒ und ãDrivelÒ. Swivel, ein 22 Minuten langer
VideoÞlm Ÿber Offenbach ist schon publiziert, er hat deutlich mehr
dokumentarische ZŸge als Ihre sonstigen Arbeiten. Kšnnen Sie uns etwas
Ÿber die Dreharbeiten und den Inhalt erzŠhlen?
Kittelmann Ja. Erst wollte ich einen glamouršsen, glatten Film Ÿber das
moderne Offenbach Þlmen, der elegant die Oberߊchen der Stadt
abschwenkt, so wie das Cover der New Order-Platte ãRepublicÒ von Peter
Saville, eine †berblendung von Imagebildern. Es sollte ein Video
werden, das auch im Offenbacher StŠdtepavillion der Expo hŠtte laufen
kšnnen É Dazu drehte ich mit einem motorisierten Schwenkkopf auf dem
Stativ, der eine langsame, gleichmŠ§ige 180¡-Aufnahme ermšglicht. Nach
einer Woche in Offenbach hatte ich schšne neutrale Architekturaufnahmen
gesammelt und kam mir wie ein Kšlner Augenoptiker vor. Das hat mir gar
nicht gefallen! Ich Þng an, verwirrende Situationen und InnenrŠume zu
Þlmen, z. B. TŠnzerinnen bei einer Avon-Promotion, Kellner bei der
Arbeit und beim Fu§balltraining, Hochzeitsfotografen und
Brautmodenschauen, die Deko-Abteilung im Obi-Baumarkt von
Bieber-Waldhof. Es gibt jetzt in jeder Einstellung ein Element, das ich
mag, oder Leute, die mir symphatisch waren. Zum Schluss habe ich noch
einen Text ins Hessische Ÿbersetzen und die einzelnen SŠtze von
verschiedenen Personen in die Kamera sprechen lassen, ein eigentlich
sehr unaufwŠndiger Dreh, der aber durch die Sprachbarriere und die
Fremde sehr kompliziert wurde. Geholfen haben mir vor allem zwei
Offenbacherinnen, Anny und Sibel …ztŸrk, die gut Deutsch kšnnen, auch
das Goethe-Institut und die unabhŠngige Kunstinstitution ãBiz-ArrtÒ.
Das Material habe ich mit Massentricks zu einem kontinuierlichen
Kreisschwenk, der manchmal die Richtung wechselt, zusammengesetzt. Es
sind immer noch Oberߊchen, die vorbei ziehen, aber speziellere.
Offenbach ist bei Tageslicht nicht so glamouršs, wie ich dachte, oder
es ist vielmehr ein Flitter-Glamour. Die Stadt schien mir so schnell
neu gebaut worden zu sein, dass eigenartige Zusammentreffen und BrŸche
entstanden sind. Die Vorstellung von ModernitŠt und Eleganz ist wohl
eine andere, verspieltere. Die HochhŠuser haben z. B. oft irgendein
Gimmick, eine LotosblŸte oder Pagode auf der Spitze, eine knallbunte
Lichterfassade. Eine ršmische Brunnenanlage als Eingang. Symphatisch
uncoole Elemente.
hks Ja, fŸr ein westliches Auge kšnnten manche dieser Bilder auch gut
Montagen sein; die Mischung von Traditionellem und Formen
globalisierter Popkultur scheint in randstŠndigen Gesellschaften
unkomplizierter zu sein als in Europa. Kommt dieses PhŠnomen Ihren
kŸnstlerischen Interessen und Arbeitsweisen entgegen?
Kittelmann In meinen bisherigen Filmen ging ich von realen Orten aus,
indem ich sie fotograÞerte, im Computer als Modell rekonstruierte und
dann zum Schauplatz der Handlung machte; z. B. die S-Bahn-Station
Ostendstra§e im Film ãRon & CalliÒ, oder der Frankfurter Kunstverein in
ãSternhaufenÒ. Mich faszinieren Orte, die von sich aus schon wie
computergenerierte Kulissen wirken, und das Leben in ihnen, das sich
mit medialen Vorbildern verschrŠnkt. Das Offenbach in ãSwivelÒ sieht
teilweise wie eine Computeranimation aus, und die Stadt hat manchmal
einen Collage-Effekt, wie Sie ihn beschreiben. Ich bin mir aber nicht
sicher, ob dieser so speziÞsch asiatisch ist. Der Frankfurter
Kunstverein z. B. ist auch eine reine Kulisse. Oder spazieren Sie
einmal zum stilisierten Flusslauf hinter der Alten Oper, das ist eine
ebenso verwirrte Event-Architektur. In Offenbach ist das alles
vergleichsweise grš§er, neuer und
teurer Ð und gefŸllt mit 16 Millionen Ratten.
hks Meine letzte Frage wŠre: Auf welche Art kommen die beiden anderen
ãNeffenÒ, Trick aus Mogadischu und Track aus Konstanz, ins Spiel?
Kittelmann Die drei ãNeffenÒ werden drei verschiedene ãOnkelÒ haben.
Das GesprŠch fŸhrte Karin Grether.
ReisefotograÞen, 2003
interview
Udo Kittelmann (*1959) produziert Musikvideoclips, macht KurzÞlme,
Videos, Installationen, Performances, Radiosendungen, einiges davon
preisgekršnt (z. B. Deutscher LangÞlmpreis 2003 fŸr AnimationsÞlme,
MuVi Ð Bestes Musikvideo 1999 in Oberhausen). Er hat in New
Delhi/Indien und an der HfG in Offenbach studiert und bereist zur Zeit
mit einem Einheitsstipendium der Hessischen Kulturstiftung deutsche
Gro§stŠdte.