Received 22. 07. 2008 -- 11:28 from
fromBetrifft: Kunst am Nullpunkt
Hallo zusammen,
ich beziehe mich auf einen Artikel von Stefan Beck auf der "thing
frankfurt"-Seite vom 04.08.2005, einer Transkription eines Vortrags
von ihm. Darin legt er dar, "warum Ausstellung als Modus der Kunst
keinen Sinn mehr macht und welche Aspekte einer zukünftigen Kunst im
Internet verwirklicht werden könnten."
Der Artikel ist sehr lesenswert; trotzdem hinterlasse ich hier nur
seine Adresse (www.thing-net.de/cms/artikel223.html) und meine
Gedanken dazu; ich glaube, das passt zu Ihrem Beitrag...:
Muss man es denn gegensätzlich sehen? Oder ist das besprochene "Ende
der Ausstellungskunst" nicht nur ein weiterer Hinweis darauf, dass
nichts, aber auch gar nichts festzuschreiben geht? Dass der
Kunstmarkt, indem er festschreibt und das auch noch begründet, sich
lächerlich macht, und indem er es vehement nicht tut, und das ebenso
schlüssig begründet, auch?
Wiederholenswert ist für mich jedenfalls: "Wenn es im Sinne von Groys
auf das Museum hin geschaffen wurde, so muss es abgeschlossen sein.
Denn das Museum als Garant des Kunstwertes kann sich nicht auf Werke
einlassen, deren Wert sich ständig verändert."
Aber genau das tut es! Es lässt sich ein. Es muss dazu stehen, zu
sagen 'du bist es wert', und muss sich gefallen lassen, dass es diesen
Wert erklären muss. Und der erklärende Mensch (oder eben Sprecher der
Institution) tut gut daran, das PERSÖNLICH zu tun, also auf
persönliche Art, und nicht seinen Wertbegriff der gesamten Menschheit
überzustülpen... Es gibt keinen Wert, den ein Kunstwerk per se
innehätte, und es ist egal, welches zum Widerlegen herangezogen würde.
Und das gilt auch außerhalb eines "White Cube", für jedweden
künstlerischen Ausdruck.
Die Kommunikation selbst ist die Kunst? Oder ist gemeint, dass, wenn
Kommunikation so immens wichtig ist/wird, dieses Beuys'sche 'jeder
Mensch ein Künstler' langsam einmal die Bestätigung erfährt, die ihm
(dem Ausspruch) schon so oft verweigert worden ist?
Die These von Lingner, "dass Kunst nicht mehr vorrangig "da" ist,
sondern erst gesellschaftlich-kommunikativ hergestellt werden muss" -
hat das nicht zu allen Zeiten schon gegolten, ob erkannt oder nicht?
Zeigt nicht GERADE die Kunstgeschichte, die Entwicklung hin zur
Modernen und über die Moderne hinaus, in die Gegenwartskunst hinein
und - ich wette - über sie hinaus, dass man darüber nun wirklich nicht
mehr streiten sollte? Worüber streiten die Leute wirklich, wenn sie
darüber streiten? Ich denke, all das entlarvt einmal mehr. Es entlarvt
das "Benutzen" von Kunst zu den Zwecken desjenigen, es entlarvt den
Sprecher, der sich einen abstrakten Begriff einverleibt und dann auch
noch argumentiert --- keinem anderen nicht-definierten Begriff wird so
etwas angetan; die Kunst muss es ertragen.
Ich unterstütze den Dialoggedanken in der Kunst leidenschaftlich! Nach
allen möglichen Thesen kann dann auch eine Arbeit, ein "Werk"
abgeschlossen sein - die mögliche Kunstempfindung wird es nie sein.
Viele Grüße,
Sabine Pint
--- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat so oder so
geschrieben:
>
> Sehr geerter Herr Beck,
>
> wenn ich ihr Statement so lese, macht mich das ganz traurig.
>
> Was zählt für sie, oder den von ihnen zitierten Prof. noch der Mensch in
> seiner Tätigkeit als genuin Kunstschaffender?
>
> Ich lese nur noch: Wertschöpfung, Wertsteigerung, verkaufen, vermarkten,
> Museum etc.
> Wo bleibt da der/die künstlerisch Tätige mit seinem persönlichen Ansatz,
> seiner Haltung, seiner/ihrer Position zur Welt, zu sich selbst, ...?
>
> Das Geld will nur sich selbst vermehren, das bischen Kunst als Aktie
ist da
> recht fügsam.
>
> Muss der/die Kunstschaffende diess als Haupthema der "Neuzeit"
auffassen,
> akzeptieren, sich nur daran messen (lassen) ? Ist das die aktuelle
> Herausforderung? Gibt es denn in der Kunst nicht noch genügend
> seinspezifische, menschennahere Themen, die es mehr-wert sind, sich
damit zu
> befassen?
> Die Nichtigkeit der Kunst, deren Übergang in den Markt, das sei die
> Erfüllung?
>
> Schade.
>
>
> on 21.07.2008 15:59 Uhr, Stefan Beck at stefan@... schrieb:
>
> > Gestern radelte ich nach Offenbach und hatte folgende Gedanken:
> >
> > Wenn es keinerlei Grund für das einzelne individuelle Kunstwerk mehr
> > gibt (keinen Anlass, kein Material, keine Geschichte), dann kommt dem
> > System Kunst, dem Kunstbetrieb, eine überragende Bedeutung zu.
> >
> > Ihm kommt dann die Einordnung, Klassifizierung, Verwaltung und
Sammlung
> > der einzelnen Nichtigkeiten zu.
> >
> > Wie gehen die Künstler damit um?
> >
> > Indem sie nur noch nichtigere Nichtigkeiten produzieren und ihre ganze
> > Energie ins Marketing stecken?
> >
> > Oder gibt es auch solche, die den seltsamen Zustand des Kunstsystems
> > thematisieren?
> >
> > Theoretisch am Schärfsten hat das Michael Lingner in Hamburg gefasst.
> > Der ist zwar Professor an der Kunsthochschule, aber nicht mehr
explizit
> > als Künstler. Vielleicht als Konsequenz seiner Überlegungen.
> >
> > Elaine Sturtevant.
> >
> >> Wie zuvor keine andere Künstlerin insistiert Sturtevant mit ihren
Arbeiten
> >> auf der Frage nach dem wahren Wert von Kunst im Kunstbetrieb, der
> >> Autorenschaft, der genuinen Schöpferrolle und stellt die Begriffe
Original
> >> und Originalität zur Disposition.
> >
> > http://www.mmk-frankfurt.de/mmk_d/03_sturtevant03.html
> >
> > Ein spannender, wenn auch grenzwertiger Ansatz. Auf der Ebene des
Werkes
> > sind ihre "Kopien" nur nichtige Nichtigkeiten, als System betrachtet,
> > sind sie ein Angriff auf die Idee der Sammlung und des Museums.
> >
> > Gibt es noch andere Künstler, die so arbeiten?
> >
> >
> >
> >
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