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[thing-group] Received 20. 08. 2008 -- 22:40 from from

Betrifft: form versus inhalt

Guten Abend, Stefan,

"Die moderne Kunst hat sich derartig von jeder Verankerung an einen
Gegenstand (sei es ein Objekt, eine Fertigkeit) abstrahiert, dass
praktisch alles Kunst sein kann."

Ich denke, das habe ich insgeheim schon immer geglaubt ;-) .

Aber: "Und in der Folge kann der Rezipient auch alles als Kunst sehen."

Da störte mich ganz persönlich dieses "als". Es sagte, dass jemand
vorher "Kunst" definiert hat, aber das hat niemand. Im Laufe der
Kunstgeschichte sind Arbeiten in den Kunstkanon aufgenommen worden,
und diese gelten nun durch die Aufnahme als "Kunst". Über alle anderen
Arbeiten scheiden sich inzwischen die Geister, bis auch diese entweder
aufgenommen oder abgelehnt worden sind.

Ich nehme nicht etwas "als Kunst" wahr, und ich glaube, das tut im
Grunde kein Mensch, jedenfalls nicht, wenn man es ursprünglich betrachtet.

Und da ich weiter fest davon überzeugt bin, dass es im Grunde kein
Kunstwerk alleine aus sich heraus gibt, muss ich folgern und tue das
auch, dass die Kunst ohne Rezipienten verschwindet...

"Vielleicht macht das auch meine Arbeit bei multi.trudi/sozial aus,
dass ich keine fertigen Werke herstellen und damit die Besucher
informieren möchte. Sondern in ihnen Mitgestalter eines möglichen
ungewissen Werkes sehe."

Diese Herangehensweise entspricht mir sehr. Mit "multi.trudi" muss ich
mich noch auseinandersetzen.



--- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat Stefan Beck
geschrieben:
>
> Hallo Sabine,
>
> ich sollte mich präzisieren.
>
> Die moderne Kunst hat sich derartig von jeder Verankerung an einen
> Gegenstand (sei es ein Objekt, eine Fertigkeit) abstrahiert, dass
> praktisch alles Kunst sein kann.
>
> Und in der Folge kann der Rezipient auch alles als Kunst sehen.
>
> Damit kommt mir die Frage, ob der Rezipient nicht eigentlich
überflüssig
> ist.
>
> Vielleicht macht das auch meine Arbeit bei multi.trudi/sozial aus, dass
> ich keine fertigen Werke herstellen und damit die Besucher informieren
> möchte.
>
> Sondern in ihnen Mitgestalter eines möglichen ungewissen Werkes sehe.
>
>
>
> Das Beispiel von Bachtin hatte ich gewählt als Demonstration einer
> ungeplanten extremen Form der Rezeption (das eigene Werk aufrauchen).
>
> Es ist vielleicht insofern nicht ganz glücklich, als der Bachtin sein
> Manuskript nicht freiwillig aufgeraucht hat.
>
> > Hallo Stefan,
> >
> > für mich sollte den Künstler auch die Poetik nicht interessieren, weil
> > er dann (für mich) schon zu weit vor denkt. Oder ich habe Dich
> > missverstanden. Poetik ?geschieht", und alles andere geschieht auch...
> > sind das nicht erst zweite und dritte Schritte...? Ich möchte das beim
> > Kreieren, Erschaffen, wie Du es auch immer nennen magst, nicht denken
> > müssen... oder... wie gesagt: ich habe Dich vielleicht missverstanden
> > in Deinem ersten Absatz.
> >
> > Zur Redundanz: In der Kunst (in jedem Beispiel, auch in den nicht in
> > den Kanon aufgenommenen Arbeiten) hast Du aber doch diese
> > überraschenden Nuancen, und lass es nur Nuancen sein!
> >
> > Du hast ja auch nicht nur Italienisch, Englisch, Deutsch, usw.,
> > sondern immer auch den, der es sagt, den, dem er es sagt, die
> > Hintergründe der Personen, die Intentionen der Personen... die Sprache
> > ist eben nur die FORM, mit deren Hilfe kommuniziert wird. Alles andere
> > ist immer überraschend und: ?neu genug". Bei Deinem Beispiel mit der
> > Pizzeria komme ich nicht ganz mit bzw. das zeigt doch gerade, wie
> > vielschichtig eine bestimmte Form gedeutet werden kann: der eine kommt
> > damit ziemlich affektiert rüber und ein anderer vielleicht charmant ?
> > und überbewerten sollte man DIESE Nutzung der ?Form Italienisch" auch
> > nicht ;-) . Aber dass es diese Form gibt, ist eine Bereicherung, egal,
> > ob sie aus Deiner Warte auch schon mal ärgerlich oder nervig
> > rübergekommen ist.
> >
> > Nehmen wir einen Kritiker oder auch ?nur" einen Rezipienten, dem etwas
> > nicht neu genug ist und es daher in Bausch und Bogen abqualifiziert ?
> > einem anderen Betrachter ist es ?neu genug". Vielleicht wird durch das
> > Betrachten DIESER speziellen Sache sogar etwas in ihm angestoßen, das
> > durch das Betrachten dieser anderen speziellen Sache (die, die dem
> > Kritiker bereits bekannt war) nicht angestoßen worden wäre ? wer will
> > das sagen. Wenn für mich der Dialoggedanke im Vordergrund steht, dann
> > KANN das reichen... und wenn es einmal reichen kann, muss ich
> > theoretisch alles gelten lassen, für das das auch gelten kann, Fazit:
> > ich lasse alles zu, kann, DARF gar nichts mehr bewerten im Sinne von
> > ?gut" oder ?schlecht", ?anachronistisch" oder ?up to date".
> >
> > Und dass es in der Praxis zufällig vonstatten gehen KANN, ist für mich
> > ein gutes Argument für meine Kunst-Sicht...
> >
> > ich bräuchte noch Hilfe bei dem Beispiel von Michail Bachtin. Was
> > zeigte das Deiner Meinung nach?
> >
> >
> >
>
>
> --
>
>
> The Thing Frankfurt
> http://www.thing-frankfurt.de
>
> * * *
>
> Stefan Beck
> Hohenstaufenstr. 8
> 60327 Frankfurt
> T. ++49-(0)69 - 741 02 10
>
> Thing Frankfurt Mailinglist:
> mailto:thing-frankfurt-subscribe [at] yahoogroups [dot] de
>



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