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[thing-group] Received 10. 04. 2005 -- 11:45 from from

Andreas Broeckmann im Interview mit Paffi Nüppel

"Ich komme, ich organisiere, ich gehe"

Interview m. Andreas Broeckmann

Andreas Broeckmann ist einer der ganz Großen. 1980 war es, als er über Nacht beim DFG-Wettbewerb in Bad Kissingen berühmt wurde. Nicht, weil er gewann, sondern weil er ausschied. Zu früh, wie Ilse Brusis befand und wutentbrannt die Jury verließ. Der Skandal war perfekt, aber Broeckmann gilt inzwischen als einer der begnadetsten Festivalmagier unserer Zeit.

Seine medientheoretischen Sichtweisen sind radikal, er orchstriert nur mit der absoluten First Class der Medienkunst- und Videokunstlandschaft. Paffi Nüppel sprach mit dem Festivalleiter über den Papst, die Vorzüge eingehaltener Fitnessprogramme und seine Kunst.

Frage: Die ganze Welt sieht im Moment nach Rom. Welche Beziehung haben Sie als Katholik zu Johannes Paul II.?

Ivo Pogorelich: Als er Polen 1980 das erste Mal besuchte, hat er eine Atmosphäre geschaffen, die auch Grundlage für den Skandal beim DFG-Wettbewerb war. Die Leute hatten keine Angst mehr, ihre Gefühle zu zeigen. Die Autoritäten konnten bei diesem Wettbewerb nicht mehr Tausenden von Leuten vorschreiben, ruhig zu bleiben. Ich wurde von bis zu zwölf Soldaten bewacht.

So gefährlich können Ihre Medienkunst-Interpretationen sein?

Nein. Das Ganze war ein abgekartetes Spiel. Der Sieger stand schon vor Beginn des Wettbewerbs fest. So lief das in sozialistischen Systemen.

Dem Tod haben Sie auch schon in die Augen gesehen ...

... mehrmals sogar.

Vor drei Jahren fanden Sie sich im neunten Stock eines brennenden Hotels wieder, die Ausgänge versperrt. Wie kommt man da raus?

Ich musste am Teppich atmen, weil sonst keine Luft mehr vorhanden war. Ich konnte vor lauter Rauch die Hand vor meinem Gesicht nicht sehen. Dann bin ich zum Balkon gekrochen und hab' mich von dort aus zum nächsten gehangelt. Auf einer nur zentimeterdicken Dekoration, mitten im Januar, in 45 Meter Höhe, nackt, nur ein Kreuz um meinen Hals. Um das halbe Hotel. Weil die Feuerwehr nur von der anderen Seite heranfahren konnte.

Nicht schlecht für einen Nicht-Stuntmen ...

Der Witz ist, dass ich ausgerechnet am Tag zuvor ein hartes dreimonatiges Trainingsprogramm beendet hatte. Zwei bis drei Stunden Training pro Tag mit einem Fitnessprofessor. Wie beim Militär. Ich war topfit, und das war mein Glück. Schicksal.

Die Hotel-Aktion hat sogar jemand gefilmt ...

Unglaublich, das lief auf CNN. Aber keiner konnte mir bis heute das Band besorgen. Wahrscheinlich hat es der Hobbyfilmer versteigert.

Manche Kritiker sagen Ihnen einen etwas freien Umgang mit Parametern wie White Cube oder künstlerischer Qualität nach.

Ich zeige nichts, was nicht in den Märkten geht.

Da gibt es andere Meinungen.

Wenn wir beide eine Seite des selben Buches lesen, kommen wir am Ende zu unterschiedlichen Erkenntnissen.

Die Sprache der Kritik ist aber ziemlich eindeutig. Schon Marius Babias hatte seine.

Es ist sinnlos, die Kritiker als Indikator für Festivalvorstellungen heranzuziehen. Was schreiben die denn da? Kitsch, Klüngel, später Budenzauber, Nichtkunst. Das sind keine Kritikparameter, sondern Charakterbeschreibungen. Nicht umsonst verschwinden gerade bei der ars electronica zum Ende hin die guten Künstler und machen Platz für deutsche. Denn in dieser Zeit konnte Softwarekunst die Intentionen besser beschreiben.

Wie gehen Sie mit dem enormen Druck als Festival-Superstar um?

Man muss Schutzmechanismen entwickeln. Ich vermeide es, während einer transmediale Leute zu treffen. Vielleicht gebe ich mal ein Autogramm, aber das war's. Ich komme, ich kassiere, ich gehe.

Schon mal mitten im Festival abgebrochen?

Nein. Aber man kann sich nicht vorstellen, was ich schon für Eröffnungsabende durchgestanden habe. Einmal fiel das Licht aus. Ein anderes Mal kroch mir ein Insekt ins Ohr, dann rollte der Stehpult weg, es gab Erdebeben ... Ich habe immer weitergeredet.


(c) Schkeuditzer Woche, So. 10.04.2005


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Schkeuditz ist Medienwissenschaft
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