Einträge vom Donnerstag, 25. März 2010

[thing-group] Received 25. 03. 2010 21:00 from

Stromausfall

Ich bin immer noch fasziniert von der Idee des Stromausfalls. Weil er in der Regel ein unvorhersehbares Ereignis darstellt, erinnerte ich mich heute im Gespräch mit Brentis an einen Text des österreichischen Philosophen Rudolf Burger, der die Möglichkeit einer intentionalen Herstellung des Ästhetischen in Abrede stellte.

Hier das Zitat aus dem Essay ohne weiteren Kommentar:

Weder in der Kunst, noch in der Natur sind heute die Orte zu finden, an denen das Ästhetische in höchster Form zutage tritt, auch nicht dort, wo die Kunst ins Leben übertritt; zu dicht ist das Rationalisierungsgewerbe geworden, als daß Natur im Normalfall noch zu haben wäre oder Kunst den technologischen Schleier intentional durchdringen könnte.

Es bricht für Momente nur mehr dort hervor, wo die Konstruktion intentionslos zusammenbricht: in den Katastrophen der Technik, im Kollaps naturbeherrschender Vernunft, der ex definitione nicht prognostizierbar ist, bebt für Sekunden ein Erhabenes auf als "Spur von Nichtidentität", das die Macht indentifizierter Vernunft von sich abwirft.

Man kann es nicht produzieren, denn als gemachtes wäre es selbst ein Stück Technik, die es als Ereignis dementiert; kein Augenblick ästhetischen Scheins, keine Epiphanie verdrängter Wahrheit, sondern ein Verbrechen. Deshalb war der Futurismus auch ästhetisch falsch, nicht nur politisch.

Was der Surrealismus individuell intendierte: die intentionslose Darstellung des Unbewußten in einer rationalistisch gewordenen Welt, den Aufweis des Nichtidentischen als Kern von Identität selber, das bricht in der technischen Katastrophe sich gesellschaftliche Bahn. Im Zerbrechen der Konstruktion zeigt sich die Wahrheit als das Falsche identifizierender Vernunft.

Deshalb wird ihr Schein ästhetisch genossen und alle Medien leben davon: Millionen haben verzückt vor den Apparaten gesessen, als die Challenger explodierte. Es war Performance-Art in Vollendung und sogar das Wetter war günstig.


In Das Gläserne U-Boot, Wien/Krems 1988, S.44


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