Received 24. 02. 2010 -- 11:20 from
fromRe: why artists are poor
Vergleich mit der Pop-Musik-Szene - Ein notorisches Missverständnis ist,
dass z.B. viele Gitarristen denken, die Gitarre ist wichtig (wer spielt
was, wie etc). Dabei macht schon (live) mindestens 90% vom Klang der
Verstärker. Den man allerdings nicht sieht (weil auf der Bühne das
steht, für das der Künstler momentan endorsed) und der (wenn er gut ist)
auch kaum marketingtauglich ist (weil zu teuer).
Ähnlich in der Kunst - alle (Beteiligten) reden über den Künstler, was
er tut, tun soll, und wie, und wie er aussieht etc. Der Verstärker - und
damit entscheidend für das Ergebnis - ist aber das Publikum.
Also wäre ein denkbarer Ansatz zum Verschaffen von Klarheit (und ggfs.
Arbeitsansätzen) eine Art Rezeptions-Analyse (s. Dewey). Das ist
natürlich unangenehm - weil die Rezipienten sind divers und flüchtig (im
Gegensatz dazu die Chimäre vom "individuellen" Künstler - über ihn/sie
kann man aber leichter reden, weil eben Chimäre). Sehr wahrscheinlich
ist, dass l'art pour l'art entstand, weil es schon damals (1900) die
sog. Öffentlichkeit nicht mehr gab. 2 Weltkriege später und
medientechnisch gleichgeschaltet ist von Öffentlichkeit (d.h. Publikum
für eine nach "bürgerlichen" Produktionsstrukturen erstellte Kunst)
nichts mehr übrig. Es gibt Konsumenten staatsdidaktischer Massnahmen (s.
Dokumenta), eine Art Innerlichkeits-Tourismus (wo schon der Künstler
kein Selbst mehr hat, soll er wenigstens dazu dienen anderen eines zu
sugerieren), Opfer von Stadt/Firmen/marketing (s. Luminale), und
Besucher, sprich Finanziers angeblicher (s. Cocoon) Subkulturen.
In der ausdifferenzierten (Luhmann hat Recht) Form sind Künstler das
Publikum für Kunst. Das ist wiederum unangenehm, weil zirkulär. Aber
vielleicht ja - was die Rezeptions-Formen und Verhalten angeht, einen
Selbstversuch wert. Da muss man auch nicht so weit schauen.
Vorausgesetzt, es gibt überhaupt Künstler.
>
>
> ich fühle mich hier inzwischen recht missverstanden. keinesfalls
> wollte ich künstlern (oder irgendwem) zur teilnahme an
> selbstvermarktungsoptimierungsstrategiekursen raten! die kunst soll
> nicht (den herren!) dienen. offenbar dient sie aber ganz gut - so sie
> ihre erfüllung (und der künstler seine anerkennung) darin sieht, sich
> hochpreisig an die in der radiosendung geschilderten kreise zu
> verkaufen. vielleicht könnte sie, die kunst, ja doch wieder in dialog
> treten mit all den anderen, die mangels einkommen als käufer gar nicht
> in frage kommen...dann müsste man aber die unterscheidung zwischen e-
> und u-kunst aufheben - oder ganz anders definieren.
>
> nochmal - konkrete ratschläge habe ich nicht und gebe ich nicht.
> melancholie trifft es noch am ehesten, gemischt mit ein wenig
> hoffnung. es wird anders. ich weiß nicht, ob´s gut wird. aber anders.
> und darin steckt ein bisschen hoffnung, denn so wie´s ist, ist´s nicht
> gut. schöner wär´s, wenn´s schöner wär´.
>
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