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[thing-group] Received 19. 03. 2010 -- 19:35 from from

Re: 29.3. 19 Uhr Fördern, Vernetzen, Weiterbilden - Das Podiumsgespräch zur Situation der freien Darstellenden Künste in Hessen

Tja Bomber,
Graffiti halte ich, auch entgegen Meinungen von Kollegen, (aber das sind
wir wieder bei der Sektiererei und Abgrenzungen, .)

für eine der letzten wirklich "autonomen" Kunstrichtungen.

Im Graffiti drücken sich für mich noch letzte Reste von individueller,
menschlicher und kreativer Freiheit aus! Ein letzter Protest
zurückgedrängt auf Wände und Fassaden unserer ach so menschlich
orientierten und lebenswerten Städte und Gemeinden.

Graffitiwriting ist daher auch keine "Ware" (kaum), sondern
künstlerischer Ausdruck im Lebenszusammenhang und wird auch deshalb von
manchen als "störend" empfunden, weil es so nicht verwertbar,
vergänglich, an den Fassaden einer angeblich erstarrten und konform
gemachten Welt kratzt.

Ich mache ab und an Fotos von Graffitis, die mich inspirieren und finde
es bemerkenswert, das sich überhaupt noch Menschen künstlerisch so weit
und ohne Anleitung und Lehrer und all das, in das wilde Leben hineinwagen!

In Ludwigsburg z.B., gibt es sehr schöne Arbeiten in manchen Unterführungen.

Wenn ich dann aber z.B. wie letztens, an haushohen grau-beigen
Schallschutzmauern hinter Mannheim auf der "A irgendwas" vorbeifahre,
die sich über ein paar Kilometer hinziehen, dann frage ich mich, was das
für eine Welt sein soll. Meterhohe Wände ohne jedes Farbempfinden
zusammengestückelt, versprerren jede Sicht und keiner fragt oder
beauftragt Leute aus der Graffiti Szene etwa diese Wände zu
"gestalten"!? Viele Menschen merken schon gar nicht mehr, wie unsere
Lebensräume von ent-sensibilisierenden und rohen Verwertungsinteressen
in aller Derbheit unterstützt, von Objekten und Projekten "bar jeder
Kunst" immer weiter eingeschränkt werden!

Wenn man von Frankfurt aus mit dem Zug Richtung Darmstadt fährt, kann
(konnte?) man kilometerlange Flächen bestaunen, auf denen alle möglichen
Graffitis zu sehen sind/waren, Zeichen dafür, das manchem Menschen doch
noch "leben", denke ich!

Und wenn in einer Gesellschaft das Eigentum und der damit verbundene,
optische oft extrem triste Aspekt der Bauwerke, also toter Dinge,
wichtiger ist/wird, als der Ausdruck lebendiger Kreativ-kraft von
Menschen, dann befinden wir uns genau dort, wo wir im Augenblick
gesellschaftlich stehen.



@Margaret
Ich fände es in diesem Zusammenhang auch sehr wichtig, anzustreben und
daraufhin zu arbeiten, das der dem reinen "Shopping" und der
"Konsumsucht" überlassenen Raum der Innenstädte zu "befreien" (auch mit
Graffiti!) und diesen wieder einem kreativen, anders lebendigen Kontakt
unter Menschen, ohne Konsum von Dingen, zu überlassen!
Dieser Konsum-"Terror" in den Städten, der in seinen Verdummung, extreme
Ausmaßen angenommen hat und zu einer "chronischen Überforderung der
menschlichen Bedürfnisse" (nach: Ullrich Enderwitz) geführt hat.




http://www.reichtum-und-religion.de/konsum/konsum-node4.html




So habe ich schon viel darüber nachgedacht, das es wichtig wäre, gerade
in den Innenstädten wieder kommerzfreie Zonen der Begegnung und der
kreativen Kontakte zu schaffen. Werkstätten, Erholungsräume, "freie"
Cafés, Orte die nicht dem Konsum-Gott gewidmet sind! Menschen wollen den
Kontakt untereinander, aber sie sind zu "Verbrauchern" verkümmert, die
nur noch im Konsum "lebendig und frei" sein dürfen.
Dieses hirnlose Gelaufe an den Schau-Fenstern vorbei, in den Städten,
überall die gleiche werbung, riesige beheizte Verkaufsflächen und
draussen im Winter sterben die "Wertlosen", die Obdachlosen,

Städte im Mittelalter "lebten" etwa noch davon, das auf den Straßen
geschreinert, geflochten und getischlert wurde, Kontakte und Gespräche
unter Menschen über Menschliches" geführt worden sind, und nicht über
"kaufen, kaufen, kaufen“ - „besitzen-besitzen-besitzen“, „haben, haben,
haben“ - geredet wurde.

Das ist auch einer der enorm wichtigen Aspekte der
Gentrifizierungs-Diskussion, ein sehr radikaler, denn wenn Menschen ihre
Stadtteile und ihre Städte genommen werden, wird ihnen ebenso ihr
Lebensraum gestohlen und anders und neu verwertet.
Letztens stand dazu ein interessanter Artikel in der "Zeit" , der aber
wie in diesem Journal üblich, die „Schuld“ für unruhige Zustände in den
Städten (ja warum wehrt ihr euch denn noch?) bei den unangepassten und
anarchischen, wie autonom lebenden Menschen (die etwa ihre Fenster nicht
oft genug putzen, ja wirklich, ..!) verortet hat, aber trotzdem sehr
instruktiv.

"Wem gehört die Stadt", so hieß ein "Spiel" aus den 70ern, PROVOPOLI,
ein Spiel welches heute wieder in den "Ernst" überführt wurde, zum immer
wichtigeren Problemansatz und vitalen Fragestellung geworden ist. Wir
werden es wahrscheinlich bald "live" spielen, oder? , das Spiel hat
schon angefangen, ..!

--------------> #Wem gehören sie, die Städte und das Leben was wir darin
führen (sollen)??

Ich hatte auch mal "einen Traum", in diesem Traum wurden aus Farbeimern
von Hubschraubern getragen, bunte Farben an den grauen Hochhäusern der
Ghettos unserer Vorstädte herunter geschüttet, zur Freude der Anwohner,
....!

DGB




----- Original Message -----
From: Helge BOMBER™ Steinmann
To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de
Sent: Friday, March 19, 2010 9:29 AM
Subject: Re: [thing-frankfurt] 29.3. 19 Uhr Fördern, Vernetzen,
Weiterbilden - Das Podiumsgespräch zur Situation der freien
Darstellenden Künste in Hessen



Hallo DGB,

ja, das soll wohl so weiterlaufen...Das stimmt. Da beginnt wieder der
Etikettenschwindel. Die vermeintlich bösen mutieren schnell mal zu
Guten. Und klar, könnte Teilen hier eher bedeuten: viele andere
müssen geben um einige wenige zu protegieren.

The same procedure as …

Tja, über das Tellerrand Denken ist nicht angenehm und bringt eine
komplett andere Sicht auf die Dinge.

Ich musste das tun, um zu verstehen was ich da mache und warum. Und
ich sage Dir, Graffitiwriting (neudeutsch Street Art) ist DER
Ausdruck des Protestes schlechthin ohne eine feste Aussage zu
definieren.

Wenn sich überall im Land Graffitikünstler formieren (wie momentan
im ganzen Land), dann kann man nicht mehr von einer Minderheit reden.
Wenn nach knapp 30 Jahren Repression durch die Legislative und die
Judicative diese Bewegung immer noch existiert und es Moden innerhalb
dieses Ganzen gibt, dann ist es Teil dieser Kultur, ja noch mehr, es
ist einer der antagonistischen Bewegungen schlechthin.

Es ist DIE tatsächliche soziale „Skulptur”, sinn- und wertfrei,
vermeintliche Machtmechanismen karikierend und nur für sich selbst
sprechend und sich selbst rechtfertigend.

Eine Oase!

Schöne Grüße

Helge

Am 18.03.2010 um 16:05 schrieb ch-ja 12:

> Hallo "Bomber", bombiger Beitrag!
> Unser jeweiliges Halbwissen kann sich doch erst im Austausch
> untereinander,
> zu einem komplexen Gebilde, einer "sozialen" Skulptur fort-
> weiter-entwicklen, oder?
>
> Querdenker sind gefragt angeblich, ja den Satz kenne ich ebenfalls.
>
> Und heute habe ich in einer Online-Werbung für "www.logica.tv"
> gelesen,
> einer Plattform die "neues Denken" befördern will:
>
> "In einem Ökosystem, in dem alle zusammen wirken, lassen sich durch
> das
> Teilen von Ressourcen "höhere Gewinne" erzielen"
>
> - nicht etwa "Gewinne für alle Teilnehmer am Prozess", Nuance, es
> geht
> weiter wie bisher, aber da bin ich nicht der Einzige, um das zu
> konstatieren.
>
> Es gibt auch keine Kritik am "System", weil diese nicht/kaum
> zugelassen
> wird!
> Gibt es einen öffentlichen, in der Breite zugänglichen Sender, der
> nicht
> Profit-orientiert, auch mal dadaistischen "Blödsinn" oder andere,
> etwa
> ungelenkere, freiere, nicht so gestelzte, kritischere Diskussionen und
> öffentlich gemachte, partizipative Workshops erlauben würde, Nein!
> Leider!
>
> Man sollte nicht vergessen, das die Massenmedien in einer bis dato
> ungekannten und ungebrochenen Macht und Medienfülle (ohne
> Vielfalt!) ihre
> allein heilig und als wahr erachteten Meinungen täglich,
> stündlich, minütig,
> mit allen ihnen zur Verfügung und zustehenden Mitteln, aus allen
> Rohren,
> "Abfeuern"!
>
> Und das will was heißen, ein paar versprengte Aktivisten, die
> dagegenhalten
> sind kaum etwas, obwohl gerade geistige und spirituell orientierte
> Praktiken
> dazu raten, durch das Tun andere Spähren zu aktivieren, die nicht
> nur über
> die "Ratio" menschliches Handeln modifizieren helfen könnten, naja!?
>
> Der französische Philosoph Francois Julien hat dazu einen
> interessanten Text
> verfasst:
> "Über die Wirksamkeit"
>
> DGB
>
> ----- Original Message -----
> From: "Helge BOMBERT Steinmann" <bomber [at] bomber [dot] de>
> To: <thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de>
> Sent: Thursday, March 18, 2010 7:51 AM
> Subject: Re: [thing-frankfurt] 29.3. 19 Uhr Fördern, Vernetzen,
> Weiterbilden - Das Podiumsgespräch zur Situation der freien
> Darstellenden
> Künste in Hessen
>
> Ich mische mich da einfach mal mit ein, mit meinem gefährlichen
> Halbwissen ;-).
> Es wird ständig bzw. für den Erhalt des Gemeinwesens (Hammerwort)
> ein
> Bild durch die Medien projiziert um eine vermeintliche Stabilität zu
> erhalten, siehe Ackermann (Verdiene genau das gleiche wie immer,
> trotz Krise). Was würde passieren, wenn er mitteilen würde er würde
> nur noch Hartz4 empfangen? Köstliche Vorstellung: Panik?
> Hamsterkäufe? Hyperinflation?
>
> Protest lohnt sich nicht, da Kritik nichts bewirkt/erlaubt ist und es
> keine wirkliche Meinungsfreiheit für den Einzelnen (im Sinne des
> demokratischen Grundgedankens gibt) gibt. The Revolution will not be
> televised.
> Was veränderten die 68er in diesem Zusammenhang?
> Die Hegemonie die sie aufbrechen wollten haben sie "nur" kopiert. Es
> gibt kein Außerhalb des Systems-es gibt nur das System. Jegliche
> Kritik darin erschöpft sich in einem kopierten Gegenentwurf.
>
> Die eigentliche Freiheit und auch der Ursprung dieser Kräfte liegen
> in der öffentlichen, allgemeinen zur Verfügungstellung dieser
> Darstellung wie Theater und Kunst im öffentlichen Raum . Die damit
> zusammenhängende Rückeroberung des öffentlichen Raumes durch die
> aufgeklärten Bürger wäre ein Ausweg dieses Diktat aufzubrechen.
>
> Die Occupation dieses öffentlichen Raumes durch einen vermeinlich
> substaatlichen Konzern wie z.B. Google sehe ich als Schritt in eine
> durch aus noch mehr überwachte Zukunft.
>
> Mein Eindruck: Menschen in D haben erkannt, das es sich nicht mehr
> lohnt zu protestieren und deswegen den konformen Weg des "Hach, hat
> doch eh keinen Zweck und ich gehe lieber den bequemen Weg, muss meine
> Familie ernähren und das Reihenhaus abbezahlen. Life is short. Warum
> sollte man für eine gerechtere Welt kämpfen, wenn man eventuell alt
> ist um diese Früchte zu ernten?" a la Ghost in the Shell und Matrix.
> Feed me & just pay me =). Gib mir die rote Pille, ich will Künstler
> sein, tolle Frauen um mich haben und Steak futtern.
> Deswegen gibt es nur noch wenig "Gegenbewegung" im Film und im
> Theater.
>
> A propos Waffenlieferung: Ich finde davon sieht, liest und hört man
> arg wenig in den Medien. Deutschland als drittgrößter
> Waffenproduzent
> der Welt scheint da nicht besonders interessiert zu sein, dass als
> positives Image verbreitet zu sehen.
>
> Wäre Deutschland auch eine solche "wirtschaftliche" Weltmacht, ohne
> Waffen? Wahrscheinlich eher nicht.
>
> Wo ist denn unser Adorno heute? Die Medien würden ihm diese Präsenz
> wahrscheinlich nicht mehr zugestehen.
>
> Querulanten und "Querdenker" werden angeblich von der Industrie und
> der Wissenschaft gesucht (u.U. im Sinne einer vermeintlich
> wirtschaftlichen Verwertbarkeit). Wenn sie dann aber wirklich
> quertreiben, will sie tatsächlich niemand mehr protegieren. Oder?
>
> LG Bomber
>
> Am 17.03.2010 um 18:23 schrieb ch-ja 12:
>
> > Hypothesse:
> >
> > Schauspieler sind qua ihrer Verhältnisse, in denen sie leben und
> > die sie uns vor-schauspielern müssen, anscheinend massiv-st
> > gebunden an ein System der Verwertung ihrer selbst, eventuell eine
> > vitale Notwendigkeit ihres Daseins? Ein System welches in sich
> > eventuell ein Heilsgefühl, welches so nicht gegeben ist, uns mit
> > ihrer Hilfe vorspiegeln muss und sich dazu der Kräfte und
> > künstlerischen Leistungen (eingestandener-maßen, ) einer Mehrheit
> > der Schauspieler bemächtigt, um Verblendung im "allergrößten
> Stil",
> > in "Cinemascope und 3D" aufrecht zu erhalten und permanent zu
> > produzieren!?
> >
> > Man muss ja heute bereits wieder Bert Brecht bemühen, wenn man
> > kritisches Theater erwähnt. (Schlingensief ist sicher eine
> > lobenswerte Ausnahme und daher auch omnipräsent)
> > Aber was ist aus deutschen und kritischen Produktionen der 70er
> > Jahre geworden?
> > May Spils, Achternbusch, Schlöndorff, Schamoni, Fassbinder, Rudolf
> > Thomé, etc?
> >
> > Wohin ist es geflossen, dieses Potential?
> >
> > Heute werden, besonders auch in Deutschland, darstellerische
> > "ERFOLGE" hauptsächlich gefeiert, die sich in Umsetzungen von
> > plattester Kommerzialität begründen!
> >
> > Und läge es daher nicht an den kleinen Bühnen, anstelle dem
> > vordergründigen kommerziellen Erfolg völlig unhinterfragt
> hinterher
> > zu hechten, konkreter und aktiv, um sich vom Mainstream etwa
> > abzuheben, Glaubwürdigkeit durch kritische und anders fordernde/
> > fördernde Themen und Inhalte zu "liefern"???
> >
> > Wo leben wir denn, auf dem Mond, Mars, Jupiter?
> >
> > Adorno muss wieder herhalten, sorry:
> >
> > "Die Ersatzbefriedigung, welche die Kulturindustrie dem Menschen
> > vermittelt, indem sie in ihm/ihr das Wohlgefühl erweckt, die Welt
> > sei in der Ordnung, die sie ihm/ihr suggeriert, betrügt ihn/sie um
> > das Glück, welches sie ihm/ihr vorspiegelt." (hier auch:
> > "vorspielen lässt")
> >
> > Ja, ja und ja?
>
> [Die Teile dieser Nachricht, die nicht aus Text bestanden, wurden
> entfernt]
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