Einträge vom Freitag, 04. Dezember 2009
Received 04. 12. 2009 16:40 from
Re: Michael Lingner bei Basis
Geschätzter Hr. Beck,
schön zu sehen, das zumindest wir zu angesprochenen Themen im Dialog verbleiben.
Ligner vertritt sicher auf jeden Fall ernstzunehmende und interessante Ansätze.
Ich persönlich gehe immer noch eher mit Gedanken und Haltung von Beuys und Umfeld konform, in der jedem Menschen ein kreativer und künstlerischer Ansatz zugetraut wird. Dazu auch als Referenz gut zu lesen im jüngsten --> Boesner-Katalog (2009/2010 !), ein recht aussagekräftiges Interview mit Beuys Schüler Johannes Stüttgen.
Zitat: "Die Kunst wird immer mehr die Bestimmung der Menschen sein." Er versteht den Künstler heute als einen Menschen, der nicht für Geld, sondern für eine Idee und an deren Umsetzung arbeitet, darin seine Existenz begründet sieht. Nicht als der Mensch, der seine Lebenszeit als Ware verkauft, und/oder nicht einmal mehr über das Produkt seiner Arbeit bestimmen/verfügen kann/darf.
Schön zu sehen ist diese Vernutzer-Haltung in der aktuellen Diskussion um Verlagerung von Mercedes-Benz Arbeitsplätzen in die USA. In einer Verlautbarung dazu haben Manager des Unternehmens klar und kühl betont, das ihre Mitarbeiter bisher "fälschlicherweise" davon ausgegangen seien, das die im Unternehmen hergestellten Produkte ihnen gehören würden! etc.
Nun bedarf es ebenfalls nicht unbedingt mehr der institutionalisierter "Kunst" (was auch immer diese noch bedeuten mag,.?), um in alle möglichen Bereiche und Felder vorzudringen, um dort zu thematisieren und Aktionsfelder zu besetzen. Dies geschieht doch oftmals nur aus reinem PR und Vermarktungs-gesteuertem Selbstzweck. Um etwa geschickt "getarnt" immer wieder eine weitere "Ausstellung" inszenieren zu können. Unter diesem Vorzeichen sollte man sich etwa kritisch die gesammelten Events und Termine in Künstler-Lebensläufen zu Gemüte führen,..? (In diesem Zusammenhang fand ich das letztens hier angesprochene Konzept sehr bedenkens wert, "Nichts" auszustellen und Besucher zur Diskussion zu laden,.. oder den real existierenden Atelier-Raum dafür anzubieten.(und nicht wieder nur den ewig beschworenen, überall und nirgends anzutreffenden "virtuellen" Raum,...)
Diese Thematik hatten sie ansatzweise ebenfalls schon angesprochen, in ihrem Bericht über die jüngste Ausstellung im Kunstverein FFM. Wenn etwa dort, wie anderswo jederzeit anzutreffen, jede gesellschaftlich oder politisch, etc. relevante Thematik nur noch als Vorwand, Vorsatzstück, Aufhänger, Attraktion im ursprünglichen Sinne eingesetzt wird, um daran ein völlig austauschbares Kunstevent zu befestigen. Ausstellungen.
Auch @Sabine:
A: Es wäre aktuell scharf zu trennen zwischen dem Mensch als vernutztes, seinem Potential entfremdetes Wesen, das nicht einmal mehr über seine (auch industrielle) Produktivkraft bestimmen darf und wie Vieh vernutzt und wie Rasen abgemäht wird und seine Lebenszeit für (bald wertloses) Papiergeld verkauft.
Und B: dem irgendwo, irgendwie noch künstlerisch tätigen Menschen, der für sich (eventuell auch für "alle") an einer übergreifenden Idee, an einem selbst bestimmten Projekt frei arbeiten möchte, sich darin ebenso wiederzufinden vermag. Grundsätzlich ist es daher auch extrem wichtig, wieder zu diesen verlorenen Schichten der Wahrnehmung von eigenen und den darin allgemein enthaltenen, menschheitlich relevanten Belangen vorzustoßen, diese überhaupt wieder (noch) zu erkennen!
C. Um einfach nur hart zu arbeiten und Geld zu verdienen, bedarf es keines Bewußtseins, dies kann ich als hirnloser Automat erledigen. wer sich dazu machen lässt, hat leider viel (alles?) von seiner Lebendigkeit verloren.
Für mich ist der Urgrund dieser Angst im Mythos des Zombies enthalten. Nicht Untote als Wiederauferstandene, sondern die immer und stetig weiter wachsende Menge der zahllosen bewusstlosen und emotional verkümmerten Menschen um uns herum. Hüllen von umhergeisternden Wesen, ohne Kopf, ohne Hirn, ohne Herz, ohne Gefühl oder Verstand.
----- Original Message -----
From: Stefan Beck
To: thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de
Sent: Wednesday, December 02, 2009 3:00 PM
Subject: Re: [thing-frankfurt] Michael Lingner bei Basis
Lieber Brentis,
der Begriff der Intellektuellen Gentrifikation gefällt mir sehr gut.
Und wie immer siehst such sehr deutlich das Problem.
Ich glaube, daß Lingner sehr wohl von einer (neuen) Nützlichkeit der
Kunst ausgeht.
Unter seinem Postulat der Postautonomie sieht er es aber so. Die Kunst
eignet sich aus sich selbst heraus kunstfremde Ziele an, um sie unter
ihren eigenen Bedingungen nützlich zu machen.
Leider bleibt Lingner mit konkreten Beispielen vage.
Kunst, die sich sozialer und politischer Anliegen annimmt, transformiert
diese und unterwirft sie ihren eigenen Gesetzen. Sofern vormals
Nützlichkeit (Hilfe leisten, Probleme lösen) angestrebt war, kann sie
durch die Kunst auch in ihr Gegenteil verkehrt werden.
Als Beispiel, die Künstlerin Nana Petzet hat ein Gegenmodell zum Grünen
Punkt entwickelt, das darauf hinausläuft jeglichen Müll bei sich zu
Hause zu verwerten und ggf. aufzubewahren.
Dass irgendwann ihr Haus komplett verstopft war, ist einsichtig. Im
Rahmen ihres Selbstversuches hat sich Nutzen von der Mülltrennung und
Rohstoffwiederverwertung (Grüner Punkt) hin zum Nutzen Einsicht in die
Problematik von Autarkie gewonnen zu haben entwickelt.
Ich finde, das nicht weit von dem entfernt, was Du hier forderst:
> Kunstschaffenden der
> Einfachheit halber nur einen Frei-Raum zu lassen, um dort völlig
> selbstbezogen weiterhin die eigene Position in/zur Welt zu erforschen,
> Grenzen zu verschieben und ihnen damit einen Hauch von Selbstfindung
> zuzugestehen?
Oder nicht?
> Hallo,
>
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Received 04. 12. 2009 16:23 from
Re: Betrifft: Kulturgutscheine in weiteren Facetten
Liebe Sabine,
Deine Gedanken finden sich in mancher Form auch im aktuellen Brandeins
Heft "Was die Wirtschaft von der Kunst lernen kann. Und umgekehrt."
Da lese ich so maches Mal die Behauptung, die Kunst sei ein großer Pool
von Ideen, die Unternehmen nützlich (wieder der Nutzen!) sein könnten.
Besonders schlagende Beispiele habe ich nicht gefunden.
Daß die Kunst vom Bürger entfernt entsteht, wie Du richtig bemerkt hast,
hängt nun mit ihrer Spezialisierung zusammen. Worin sie Quantenphysik
ähnelt. Die ist auch nicht direkt nützlich, aber wohl notwendig.
Kunst steht vor dem Dilemma, daß sie Unterstützung verlangt, ohne Sinn
und Zweck genau belegen zu können. Da helfen dann auch Kulturgutscheine
wenig.
http://www.brandeins.de/archiv/magazin/kunst.html
> Guten Morgen, Stefan,
>
> ja, was Du sagst, ist nachvollziehbar. Auch ich stelle es mir konkret schwierig vor, dass die Kulturgutscheine für alle das bewirken, was Ihr wünscht, nämlich die Wertigkeit von Kunst nachher auch mal in Penunzen zu sehen, besonders gerne im eigenen Portemonnaie...
>
> für mich war/ist der Gedanke verführerisch, weil ich in der Tat erlebe, dass Kunst schon vom "Bürger" entfernt ENTSTEHT, geschweige denn ihm später vermittelbar ist. Er wird m. E. nicht genug "mitgenommen". Dass man das Fach studiert haben muss, um Kunst genießen zu können, lehne ich nicht wegen des eigenen fehlenden Studiums ab, sondern weil ich es für nicht logisch halte. Wenn Kunst doch für "die Gesellschaft" sein soll.....
>
> ich denke weiter, dass die Idee der gerecht bezahlten Kunst nicht umzusetzen ist. Das System wäre nicht zu bezahlen (oder mir fehlt der zündende Gedanke, wie), und der fehlende Kriterienkatalog, der die Freiheit von Kunst m. E. erst begründet, tut sein Übriges.
>
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