Received 19. 12. 2009 -- 20:49 from
fromRe: Betrifft: Michael Lingner - Kunst und Theorie
Mir läge sehr an einem Beispiel. Wie sähe denn ein Kunstwerk aus, daß
mit dem Menschen funktioniert? Wie es sich Brentis und Sabine vorstellen.
Ich meine, es dürfte doch klar sein, daß Kunstwerke immer Menschenwerke,
von solchen intendiert und somit keine Naturgegenstände sind.
Damit gestehe ich gerne ein, daß in Bezug auf Kunstwerke immer Menschen
und menschliche Belange (Gewinninteressen zB) involviert sind.
Ich glaube aber, daß es zum "Spiel" der Kunst dazu gehört, ihr und ihren
Gegenständen eine Autonomie zu gewähren, in der sie außerhalb
menschlicher Interessen agieren können.
Vielleicht ist ein wenig so, wie mit Gesetzen? Obwohl Gesetze nur von
Menschen gemacht werden können, unterwerfen wir uns ihnen, als wenn sie
von Gott kämen. Wir wissen genau, daß das nicht stimmt, aber wir spielen
mit, weil uns klar ist, daß das im Interesse aller und damit von uns
selber ist.
> Hallo Herr Beck, Sabine und alle Mitdenker, belangreiche Replik!
> Ebenso bemerkenswert zu lesen, das sich weitere Menschen (1) an diesem Thema interessiert zeigen.
>
> Es ist uns allen bewusst und entbehrt nicht einer akzeptierten Brisanz, das das Kunstwerk sicher gelegentlich allein und ohne Menschen "auskommen" muss. (Nachts alleine im Museum?) Doch was bedeutet dies für uns?
>
> Wie zitierten sie noch Lingner kürzlich:
> "Nach Lingner sollten wir, nicht nur die Künstler, in erster Linie um der
> Sache willen arbeiten. Und dann erst nach ihrer Anerkennung (Geld
> etc) schielen."
>
> Das Kunstwerk ist in sich nur eine mögliche Folge/Konsequenz des menschlichen Handelns und Ausdruck einer Auseinandersetzung mit diversen/möglichen und unmöglichen Fragen der menschlichen Existenz.
>
> (...dahin deutete ebenso mein Vergleich letztens mit Bezug auf das Höhlengleichnis bei Platon,...)
>
> Denn was ist Kunst denn grob gesprochen, wie allgemein besehen anderes, als "Schatten" an der Wand?
>
> Kunst abgetrennt von ihren Produzenten betrachtet, auf die Ebene der reinen Zeichen reduziert, nimmt eine zu theoretische, menschenferne Position ein, die jedoch ebenfalls (glücklicherweise?) in dieser Form nur von Menschen rezipiert werden kann.
> (Dem Stand unserer menschlichen Erkenntnis nach, zumindest, ...)
>
> Und daher begrüße ich ebenso Einwände wie jenen, den Sabine formuliert hat:
>
> "Aber ich vollziehe nicht nach, dass "Kunst" ohne "den Menschen" funktioniert. Insofern halte ich das "Experiment" für unsinnig. Ich glaube im Gegenteil, dass Experimente dieser Art den Menschen der Kunst immer weiter entfremden, ..."
> Wir alle können demnach sehr wohl nachvollziehen und das betont Sabine ebenfalls, das es eine oder mehrere mögliche Meta-Ebenen in der Kunstdeutung existieren mögen. Symbole und Zeichen als solche zu analysieren ist uns ebenfalls als Vorgang hinlänglich bekannt.
>
> Nun weiter zu folgern, diese reinen Zeichen irgendwann im luftleeren Raum stehend, ohne real anwesende Menschen noch weitere Bedeutsamkeit behalten/beinhalten, ist glatte Hypothese und von meiner Seite gesehen und eine höchst absurde. Das reduziert Kunst auf theoretische, formalistische, sehr reduktionistische, "aussermenschliche" Positionen.
>
> (Dies erinnert mich an gewisse Diskussionen zum Thema: Wissenschaft, ..)
>
> Grundsätzlich verstehe ich, ausdrücklich wiederholt, was sie Hr. Beck mit ihrer Haltung in Richtung Kunstanalyse ausdrücken wollen! Aber sich über die Kunst, jetzt wieder sehr allgemein gesprochen, wie auf dem Seziertisch zu beugen und zu diesem "Objekt" eine dementsprechend möglichst extreme und "künstliche" Distanz zu erzeugen, ist für mich allerhöchstens ein bizarres Spiel. Manchen mag das gefallen. Und so mag es ebenfalls manchen (Menschen?) gefallen, sich in der Meta-Meta Ebene und abstrakten Analyse von entsubjektivierten Objekten zu bewegen/ zu verlustieren, und daraus sehr theoretische, wie formal bedingte Konklusionen abzuleiten,... (tief im Sumpf der Worte, ..)
>
> Vielleicht führt uns die von ihnen in Bezug auf Lingner vertretenen Sicht der Dinge auch wieder zurück auf unsere eigene sehr formal und mit rein technischen Hilfsmitteln geführte Diskussion, hier? Diese, unsere Aussprache unter Menschen, die sich nicht mehr persönlich kennen, und die nur noch mittels der von uns benützten Medien miteinander in Kontakt treten.(können?)
> Kann ja sein das dies eine mögliche Interpretation jener Theorie sein könnte!?
> (Obschon dieser Ansatz mit Lingern's "um der Sache willen arbeiten, " wohl kaum in Einklang zu bringen ist.)
>
> Ich kann mir nun zu unserer Diskussionsrunde gut eine Installation vorstellen, die jedoch ebenfalls wieder von Menschen betrachtbar (imaginierbar?) sein müsste? (Als vorrausschauender Rückblick,.) Eine Installation, in der gezeigt wird, wie nach dem möglichen Tod aller Menschen (oder Lebewesen nach unserer Vorstellung, ..) eigens programmierte Computersysteme genau diese, unsere Diskussion fortführen. Und diese inszenierte Diskussion wäre als konkrete Situation um so synthetischer, als das darin klar der hier vertretene, entfremdete Ansatz zu erkennen sein müsste:
> Der Blick auf eine Welt, in der schließlich trotz Medienvielfalt, Technik und Zeichen keine lebenden, agierenden Menschen mehr übrig geblieben sind.
>
> (Naja, wir sind diesem Zustand vielleicht näher, als wir denken (können)?)
>
> Titel der Installation wäre: "All In Vain".
>
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