Received 28. 01. 2010 -- 16:05 from
fromBetrifft: Kunst als Zeichen für sich selbst
Hallo Stefan, hallo alle anderen,
ich greife Deinen letzten Satz "Wer nur dem Markt die Schuld gibt, denkt zu kurz" auf und erweitere mal um: wer dem Markt ÜBERHAUPT "Schuld" gibt, denkt zu kurz. Bzw. denkt nicht an "Kunst", sondern denkt "Markt".
Erkläre mir doch mal bitte hier jemand Folgendes, möglichst kurz und knapp, dass ich es auch verstehen kann: wie soll man denn wem klarmachen, dass er wen und warum unterstützen sollte, damit dieser sein Auskommen hat? Und wie soll das dann letztendlich so verteilt werden, dass ALLE Kunstschaffenden ihr Auskommen haben? Ich verstehe es einfach PRAKTISCH nicht.
Ich sehe auch nicht, dass es hülfe (Hilfe! - Ist das richtig so??), wenn die Produzenten der Kunst sich diskursiv besser oder überhaupt erklärten... nun kenne ich zwar Hans Platschek (noch) nicht, aber ich denke mir, dass das am momentanen Status Quo nicht das Geringste ändern würde... - alle würden nur noch mehr "hacken", denn dann gäbe es ja angeblich ein Mittel zur Unterscheidbarkeit und damit eines zur Einordnung von Kunst... dass das dann genauso menschengemacht ist und dass das ebenfalls Regeln unterworfen wäre (nur vielleicht eben leicht anderen zu den herkömmlichen Kunstmarktregeln), führt doch dann zu nur neuen Auseinandersetzungen - oder wie meint Platschek es...?
Viele Grüße,
Sabine
--- In thing-frankfurt [at] yahoogroups [dot] de hat Stefan Beck
>
> Lieber Brentis,
> der Kunstmarkt, zumal in seiner Interpretation als Kulturindustrie, ist
> sicherlich ein komplexes Phänomen.
>
> Ich glaube jedoch eine vorläufige Einschätzung wagen zu können:
>
> Der Kunstmarkt verkauft alles, insofern es nur beweglich, abgeschlossen
> und einigermassen haltbar ist.
>
> Alles andere spielt nur eine untergeordnete Rolle. Ob "Zeichen für sich
> selbst", ob kritisch, ob subversiv, - ist alles egal. Frei nach Lenin:
> "Die Kapitalisten verkaufen uns noch den Strick, an dem wir sie
> anschliessend aufknüpfen."
>
> Wenn dabei trotzdem nicht alle ihr Auskommen finden, so liegt es erstmal
> daran, daß viel zu viel Waren auf dem Markt sind.
>
> Die Masse der Waren leidet an Ununterscheidbarkeit und mangelndem
> Differenzierungevermögen der Marktteilnehmer.
>
> Die "Lösung" besteht mE darin, auf diskursivem Wege
> Unterscheidungsvermögen herzustellen. Das sagt auch Hans Platschek,
> dessen Buch ich nur wärmsten empfehlen kann.
>
> Die Künstler als Produzenten müssten also vermehrt in einen kritischen
> Diskurs über ihre eigenen Arbeiten und die der Kollegen einsteigen.
>
> Davon ist nun leider wenig zu bemerken.
>
> Wer nur dem Markt die Schuld gibt, denkt zu kurz.
>
> > Oh Herr Beck,
> >
> > "Kunst als Zeichen für sich selbst, als Leerstelle, die von der materiellen Lage der Künstler abstrahiert." Gut gesagt. da sind wir ja fast wieder bei Lingner.
> >
> > Dies passt aber nun imGegenteil, um so besser zur Argumentation meines vorhergehenden Textes über die "Miserabilität" des gemeinen Künstler-Daseins. Denn ist deren Lage, die der gemeinen Künstler nicht Konsequenz einer weder sozial verträglichen noch gerechten Anerkennung ihrer gesellschaftlichen Leistungen, wie der ungleichen Verteilung von lebenswichtigen (monetären) Ressourcen?
> > Ja sorry, im Zuckermann-Zitat ging es mir besonders um die Hervorhebung seiner Kritik der einseitig an geldwerter Materialität orientierten Begleit-Umständen im etablierten Kunstmarkt.
> > (dazu habe ich den Anfang seiner Aussage zu schnell überlesen, ....)
> >
> > Zuckermann begibt sich dabei in die Nähe von Adorno, bezieht sich ebenso auf dessen Kritik an der Kulturindustrie. Jene Kulturindustrie, die man ebenfalls heute noch erkennen kann(!?). In deren bestimmendem Umfeld, Kunst nicht etwa als wichtige, vielschichtige Arbeit an/mit Zeichen erkannt wird. Sondern Kunst dient aktuell in einer sehr eindimensionalen Handhabung ihrer Hervorbringungen nur noch als Vorwand für ein Profitinteresse, welches sämtliche Inhalte der ihm genehmen Kunstwerke letztlich ihrem Tauschwert ausliefert. All dies ist bekannt, jedoch auch das Bekannte sollte man bisweilen wiederholen, damit es nicht in Vergessenheit gerät.
> >
> > Zu ihrem Zeichen-Komment anbei ein Statement vom Alt-Linguisten de Saussure:
> >
> > Sprache ist nicht mehr das simple System von Wörtern, die den Sinn einfach so in sich tragen wie ein Gefäß einen bestimmten Inhalt. Sprache ist einem Gewebe ähnlich, in dem Bedeutung nicht mehr in einzelnen Begriffen wohnt, sondern erst in der Differenz entsteht.
> >
> > Nun, da wir hier in Schriftform kommunizieren, geht manche Nuance bisweilen eben dieser Form geschuldet, verloren. Zumal nicht verbal nachgefragt werden kann, um eventuell Missverständnisse einzugrenzen.
> >
> > Als hilfreich für verbalen Austausch sehe ich ihre Einladung, zum Usertreff Anfang Mai. Ich werde mir diesen Termin merken.
> >
>
>
> --
>
>
> The Thing Frankfurt
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> Stefan Beck
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